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"Wir wollen Europa, aber ein anderes"

Von WZ-Korrespondent Manuel Meyer

Politik
Ist von den anderen EU-Staaten enttäuscht: Hermann Tertsch.
© Manuel Meyer

Hermann Tertsch, einer der bekanntesten Journalisten Spaniens, war Meinungschef der linksliberalen Zeitung El País. Nun kandidiert der 61-Jährige mit österreichischen Wurzeln bei den Europawahlen für die neue Rechtspartei Vox.


Wiener Zeitung: Wie ist es zu Ihrer Kandidatur für Vox gekommen?

Hermann Tertsch: Spanien ist in Gefahr. Die Nation bricht auseinander. Es gab in Katalonien zwei Staatsstreichversuche und die hiesigen Parteien haben das größtenteils toleriert. Bei den vergangenen Parlamentswahlen haben wir aus dem Stand 24 Mandate erhalten, weil viele Menschen sehen, dass Vox die einzige Partei ist, welche die Einheit Spaniens glaubwürdig verteidigt. So sehe ich das auch.

Kataloniens Regionalregierung wurde nach dem illegalen Unabhängigkeitsreferendum 2017 doch abgesetzt und Neuwahlen ausgerufen?

Das reichte aber nicht. Die katalanische Autonomie muss außer Kraft gesetzt werden, bis wieder eine demokratische Normalität hergestellt ist. Es kann nicht sein, dass verfassungstreue Parteien sich nicht mehr trauen, in einigen Teilen Kataloniens zu kandidieren. Oder man zusammengeschlagen wird, wenn man mit der spanischen Flagge auf die Straße geht. In Katalonien, aber auch in Valencia und auf den Balearen, wo die Separatisten mit imperialistischer Version neuen Lebensraum suchen, wird an den Schulen Hass gegen Spanien gepredigt. Damit muss Schluss sein. Zumal die Mehrheit der Katalanen gar nicht für die Unabhängigkeit ist.

Sind Sie vom Verhalten Europas im Katalonien-Konflikt enttäuscht?

Sehr. Es war skandalös, dass Deutschland den Putschisten Carles Puigdemont nicht an uns ausgeliefert hat. Dieser Verbrecher wollte unser Land zerstören, brachte uns an den Rand eines Bürgerkriegs. Deutschland ließ ihn einfach frei, Belgien auch. Und nun darf er sogar fürs Europaparlament kandidieren. Deutschland und die EU haben uns regelrecht verraten. Spanien ist ein europäischer Rechtsstaat. Wenn wir Verbrecher aus Österreich haben, liefern wir die auch nach Wien aus.

Ist Ihre Partei deshalb so europaskeptisch?

Vox ist nicht europaskeptisch. Wir sind eine pro-europäische Partei. Wir wollen Europa, wir wollen die Europäische Union, wir wollen einen Binnenmarkt und den Schengen-Raum. Aber einige Sachen müssen sich ändern. Die Nationalstaaten müssen wieder das demokratische Fundament Europas werden. Die Macht der EU-Kommission über die Staaten und das Europaparlament ist zu groß. Die Länder brauchen wieder mehr Souveränität. Wir würden heuer nicht über den Brexit sprechen, hätte Frau Merkel mit Blick auf die Flüchtlingsströme nicht Mutter Teresa gespielt.

Jeder EU-Staat soll also wieder seine eigene Flüchtlings- und Grenzpolitik machen?

Nein. Bei der Sicherung der EU-Außengrenzen muss es eine Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten geben. Aber jedes Land soll auch souverän entscheiden können. Wenn Frau Merkel 300.000 Syrer aufnehmen will, soll sie das tun. Aber nicht Polen, Ungarn, Österreicher oder Spanier auch dazu zwingen.

Vox-Chef Santiago Abascal fordert in Ceuta und Melilla eine Mauer wie Donald Trump zu Mexiko.

Es kann nicht sein, dass die illegale Migration der Hauptzugang der Migration in Europa ist. Wer illegal kommt, kann nicht bleiben. Und Leute, die wie vergangene Woche in den beiden spanischen Exklaven in Nordafrika Gewalt anwenden und Polizisten verletzten, um ins Land zu kommen, brauchen und wollen wir nicht. Da hilft eine solche Mauer. Migration ja, illegale Nein. Hier werden wir in Europa Null-Toleranz fordern. Auch gegenüber den NGOs, die wie die Schlepperbanden Interesse an der illegalen Migration haben.

Das hört sich nach Italiens Salvini an. Ist Vox eigentlich auch islamfeindlich?

Wir haben kein Problem damit, dass die Menschen ihre Religion hier ausüben. Wir wollen aber eine offene, christliche Gesellschaft mit westlichen Werten. Einwanderer müssen unsere Lebensweise voll akzeptieren und sich assimilieren. Wenn sie das nicht wollen, sollen sie sofort gehen oder besser gar nicht erst kommen.

So denken die meisten rechtsextremen Parteien im Europaparlament. Vox stößt neu hinzu. Welcher Gruppe werden Sie beitreten?

Das wissen wir noch nicht. Mit der Fratelli aus Italien und den Tories in England haben wir viele Gemeinsamkeiten. Auch mit Viktor Orbán in Ungarn. Fest steht nur, dass wir keiner Gruppe mit radikalen Nazis oder mit den flämischen Nationalisten beitreten, die Kataloniens Unabhängigkeit unterstützen.

Nun zum Thema Lügenpresse. Was ist Ihr Problem mit der Presse?

Wir werden als Nazis beschimpft, Unwahrheiten werden verbreitet. Wie uns die durchweg linke Presse behandelt, ist schon niederträchtig. Wir wollen, dass es in Spanien endlich wieder richtige Pressefreiheit mit pluralistischen Medien gibt, die auch uns die Chance geben, unsere Meinung zu sagen. Im EU-Wahlkampf werden sie mich nicht in nur einem der TV-Sender sprechen hören, obwohl diese viel über mich sprechen - negativ.