Unter Tränen hat die britische Premierministerin Theresa May ihren Abschied angekündigt. "Ich werde in Kürze die Aufgabe abgeben, die für mich die größte Ehre meines Lebens bedeutete", sagte sie am Freitag sichtlich gezeichnet vor ihrem Amtssitz in der Downing Street 10 in London.
Sie werde am 7. Juni ihr Amt als konservative Parteichefin abgeben. "Es ist und wird immer eine Angelegenheit von tiefem Bedauern für mich sein, dass es mir nicht gelungen ist, den Brexit zu vollziehen."
Am Ende ihrer Rede wurde ihre Stimme brüchig. Gebeugt und mit schmerzverzogenem Gesicht verschwand sie schließlich hinter der schwarzen Tür des Regierungssitzes. Ende Juli wird damit gerechnet, dass sie die Regierungsgeschäfte an ihren Nachfolger übergibt.
May wird als gescheiterte Regierungschefin in die Geschichte Großbritanniens eingehen. Gescheitert am eigenen Ziel, das Land geordnet aus der Europäischen Union zu führen. Es gelang ihr nicht, das Parlament und ihre zerstrittenen Konservativen beim Thema EU-Austritt zu versöhnen. Auch die Bevölkerung ist tief gespalten.
Historische Niederlage
Mit ihrem Brexit-Abkommen, das sie mit Brüssel ausgehandelt hatte, fuhr May Mitte Jänner die höchste Niederlage einer Regierung in der Geschichte des britischen Parlaments ein. Zwei Monate später lehnte das Unterhaus den Deal erneut ab - trotz der mit Brüssel ausgehandelten Nachbesserungen. Ende März hagelte es eine dritte Niederlage.
Der EU-Austritt, eigentlich für den 29. März geplant, musste zweimal verschoben werden. Ob die neue Frist bis 31. Oktober eingehalten werden kann, steht in den Sternen.
Doch das waren nur die jüngsten Ausschläge in einer langen Reihe von Pannen und Demütigungen. Jede für sich hätte wohl zu normalen Zeiten das Ende ihrer Karriere bedeutet: zwei nur knapp gewonnene Vertrauensabstimmungen, eine verlorene Parlamentswahl, ein desaströser Parteitag und etliche Ministerrücktritte.
Größte Stärke wurd zu ihrer Schwäche
In anderen Zeiten wäre May womöglich nie auf den Posten der Regierungschefin gelangt. "Ich bin Theresa May und glaube, dass ich die beste Person bin, um Premierministerin zu werden." Mit diesen Worten hatte sich May im Sommer 2016 nach dem Brexit-Votum und dem angekündigten Rücktritt David Camerons beworben. Für eine Idealbesetzung hielten sie wohl nur wenige. Sie hatte sich beim Referendum für den Verbleib in der Europäischen Union ausgesprochen, aber so zaghaft, dass es kaum jemand merkte. Das ließ sie als Kompromisskandidatin erscheinen.