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Ein Waterloo für Tsipras

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Bei den EU-Wahlen lag die Syriza-Partei des griechischen Premiers klar hinter der konservativen ND. Bei den nun vorgezogenen Neuwahlen dürfte sich daran aber kaum etwas ändern.


Athen. Der Schock saß tief nach dem Debakel. Verschwunden war plötzlich das breite Grinsen, bisher das Markenzeichen des Syriza-Chefs. Erst um fünf Minuten vor Mitternacht trat ein sichtlich genervter Alexis Tsipras am Sonntag in der Athener Parteizentrale vor die Presse. Schlag Mitternacht war der hastige Auftritt des griechischen Premierministers schon wieder vorbei. Es fwirkte wie sein politischer Abtritt. Pünktlich zu Anbruch des neuen Tages.

"Dieses Wahlergebnis wird nicht unseren Ansprüchen gerecht. Ich kann es nicht ignorieren. Sofort nach den Stichwahlen bei den Regional- und Kommunalwahlen (am nächsten Sonntag) werde ich den Staatspräsidenten ersuchen, unmittelbar Neuwahlen auszurufen", sagte Tsipras, der nicht einmal der strahlende Siegerin des Wahltags, der Nea Dimokratia (ND), gratulierte.

Mit Europawahlen, Regionalwahlen und Kommunalwahlen hatten am Sonntang in Griechenland gleich drei Urnengänge stattgefunden. Erwartungsgemäß avancierten sie allesamt zu einem Waterloo für Tsipras‘ Regierungspartei Syriza. Die oppositionelle konservativ-liberale ND errang auf allen Ebenen einen Erdrutschsieg. Besonders der Ausgang der Europawahlen wiegt schwer. Die ND triumphierte mit gut 33 Prozent der Stimmen und lag dabei satte 9,5 Prozentpunkte vor Syriza. Bei den vergangenen Europawahlen im Jahr 2014 war Syriza noch knapp vier Prozentpunkte vor der damals am Peloponnes regierenden ND gelegen. Aber auch in den größten Städten Athen, Thessaloniki und Piräus sowie bei den Wahlen in zwölf der landesweit 13 Regionen hatte Syriza diesmal gegen die ND keine Chance.

ND-Chef Kyriakos Mitsotakis hatte unmittelbar nach dem Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen den "sofortigen Rücktritt von Tsipras" und "die Ausrufung von vorgezogenen Parlamentswahlen" gefordert. Sie hätten turnusgemäß im Oktober abgehalten werden müssen. Nun werden sie bereits Ende Juni, spätestens Anfang Juli stattfinden.

Sparkurs abgestraft

Der desaströse Wahlausgang ist für Tsipras eine herbe Niederlage. Er hatte insbesondere die Europawahlen demonstrativ zu einem "Referendum" über seine Regierungspolitik in Athen erklärt - den für ihn zuvor schlechten Umfragen zum Trotz. Um das Steuer dennoch noch herumzureißen hatte Tsipras in den vergangenen Wochen noch zahlreiche Last-Minute-Wahlgeschenke an die Griechen verteilt. So wurde der zuvor von seiner eigenen Regierung angehobene Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel, Energie und Gastronomie wieder von 24 auf 13 Prozent gesenkt. Ebenso gab es wenige Tage vor dem Wahltermin eine zusätzliche Pensionszahlung in Höhe von durchschnittlich 350 Euro.

Übel dürften die Wähler Tsipras vor allem den harten Sparkurs genommen haben, den insbesondere die Mittelschicht zu spüren bekommen hat. Denn gleichzeitig zeigte sich der Syriza-Chef, der nach seiner triumphalen Machtübernahme Anfang 2015 noch als "Oligarchen-Schreck" galt, erstaunlich zahm, wenn es darum ging, die Superreichen in Griechenland stärker zur Kasse zu bitten. Hinzu kam der für das Gros der Griechen zudem tief enttäuschende Ausgang des Namensstreits mit Griechenlands nördlichem Nachbarn Nordmazedonien. Und nicht zuletzt kratzten die in seiner Regierung ausufernde Vetternwirtschaft, Indizien für Korruptionsfälle in den eigenen Reihen und die offensichtliche Einflussnahme auf Justiz und Medien an Tsipras‘ Image als Saubermann und Vertreter eines neuen Politikertyps im Land.

Comeback der alten Eliten

Der Premierminister steht nun vor einem Scherbenhaufen. Denn dass der 44-Jährige den Spieß bei den bald anstehenden Parlamentswahlen noch umdrehen kann, ist eher auszuschließen. Viel mehr scheint das Ende von Tsipras‘ fünf Jahre währenden Polit-Dominanz in Athen durch den Rechtsruck am Sonntag besiegelt.

Sollte die ND ihren Erfolgslauf beim nächsten Urnengang fortsetzen, dürfte damit die Ära von Kyriakos Mitsotakis anbrechen. Der 51-jährige ND-Chef, ein bekennender Wirtschaftsliberaler, ist ausgerechnet Spross eines einflussreichen Polit-Clans, die ultimative Verkörperung der alten Eliten in Griechenland. Auch dies eine schallende Ohrfeige für Tsipras.

Den Sprung ins Europaparlament über die in Hellas geltende Drei-Prozent-Hürde schafften jedenfalls noch fünf weitere Parteien. Die pro-europäische Kinal-Partei mit den ehemals omnipotenten Pasok-Sozialisten vereinte 7,5 Prozent der Stimmen auf sich. Es folgen zwei vehemente EU-Gegner: die stalinistisch-orthodoxe Kommunistische Partei (5,5 Prozent) sowie die berühmt-berüchtigte rechtsextreme Goldene Morgenröte (4,8 Prozent).

Die eigentlichen Wahlüberraschungen stellen jedoch zwei noch junge Parteien dar: Die betont EU-kritische nationalkonservative "Griechische Lösung" ("Elliniki Lysi") mit gut vier Prozent der Stimmen sowie die linksgerichtete "MeRA25" unter dem schillernden Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis, die etwas mehr als drei Prozent der Stimmen auf sich vereinte. So schaffte der Ex-Finanzminister knapp vier Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Regierung Tsipras das Comeback auf die griechische Politbühne.