SPD-Chefin Andrea Nahles hat ihren Rücktritt erklärt, ein Dreierteam übernimmt die Parteispitze der SPD. Die bisherigen Parteivizes Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel werden kommissarisch die Führung der SPD übernehmen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat bereits eine deutliche Botschaft in die Welt gesagt: "Wir werden die Regierungsarbeit fortsetzen mit aller Ernsthaftigkeit und großem Verantwortungsbewusstsein", betonte sie.

Dennoch stellt sich die Frage, wie stabil die Große Koalition zwischen Union und SPD angesichts der Debatten noch ist. Alle Szenarien sehen erhebliche Risiken für die Handlungsfähigkeit des bevölkerungsreichsten EU-Staates.

1. Die Ruhe nach dem Sturm

Die SPD könnte eine neue Partei- und Fraktionsführung wählen, die Große Koalition nicht infrage stellen. Nach diesem Szenario wäre der Schock unter den Sozialdemokraten über die Entwicklung so groß, dass man alles versucht, doch Teil der Regierung zu bleiben. Denn bei vorgezogenen Neuwahlen könnte die SPD - so eine Sorge - eine schwere Schlappe erleiden. Der Blick auf die Umfragen galt schon bisher unter SPD-Abgeordneten als wichtiger Grund für das Festhalten an dem ungeliebten Bündnis mit der Union.

Dazu könnte auch beitragen, dass sich nach den Personalquerelen der Blick wieder auf die Inhalte richtet. Denn bei einem Bruch der Regierung droht, dass auch für die SPD wichtige Vorhaben wie die Grundrente, Klimaschutzgesetz oder Kohleausstieg erheblich verzögert oder ganz gefährdet werden - was den Sozialdemokraten angekreidet werden könnte. Allerdings: Ohne harte zusätzliche Forderungen der SPD gilt eine Fortsetzung der Großen Koalition derzeit als schwer vorstellbar.

2. SPD steigt aus - jetzt oder im Herbst

Denkbar ist auch, dass sich das neue SPD-Personal deutlich kritischer zur Großen Koalition aufstellt - oder aufstellen muss, um überhaupt gewählt zu werden. Dazu könnte gehören, dass eine Weiterführung des Bündnisses entweder ganz ausgeschlossen wird oder der Union so hohe Hürden für eine Fortsetzung gestellt werden, dass diese unannehmbar sind. Dazu könnte etwa die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung gehören - für die Union ein "No Go". Die Forderung etwa von Juso-Chef Kevin Kühnert nach einem Klimaschutzgesetz in diesem Jahr ist dagegen mit der Union bereits verabredet gewesen.

Der Weg zu einem Ausstieg dürfte über einen SPD-Parteitagsbeschluss oder eine erneute Mitgliederbefragung führen. Denkbar ist auch, dass eine Eskalation in der Großen Koalition erst nach den drei Landtagswahlen im Osten im Herbst eintritt - bei denen die SPD nach dem jetzigen Stand der Meinungsumfragen sehr schlechte Ergebnisse einfahren wird.

3. Merkel macht weiter - mit Minderheitsregierung

Sollte die SPD aussteigen, wäre dies nicht unbedingt das Ende der Kanzlerschaft Merkel. Denkbar wäre eine Minderheitsregierung, die die CDU-Spitzen mehrheitlich nach dem Platzen der Jamaika-Sondierung ausgeschlossen hatten. Nun könnte aber eine neue Konstellation entstehen nach dem Scheitern der damaligen Sondierungen und einer Großen Koalition. Dafür spräche, dass in der EU derzeit die Weichen für die kommenden fünf Jahre neu gestellt werden und sich Deutschland nicht erneut mindestens ein halbes Jahr Entscheidungsunfähigkeit durch Neuwahlen und anschließende Koalitionsbildung leisten kann. Wiederholt wird auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ab Juli 2020 verwiesen, in der Deutschland handlungsfähig sein müsse. Welche Projekte die Union dann durchsetzen könnte, ist aber unklar. Sie müsste wohl größere Kompromisse machen, um SPD, FDP oder Grüne zur Zustimmung einzelner Gesetzesvorhaben zu bewegen.