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Kein linkes Vorbild für ganz Europa

Von Alexander Dworzak

Politik

Der Sieg der Sozialdemokraten und das Desaster der Dänischen Volkspartei beruhen auf nordeuropäischen Besonderheiten.


Kopenhagen/Wien. Eine politische Ära endet in Dänemark. 14 der vergangenen 18 Jahre stellte die rechtsliberale Venstre den Ministerpräsidenten. Gemeinsam mit dem "blauen Block" von Mitte-rechts-Parteien und dank Tolerierung durch die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF) wurde das Land regiert. Mit der Wahl am Mittwoch hat der "rote Block" unter Führung der Sozialdemokraten die Mehrheit.

Deren Parteichefin Mette Frederiksen strahlte, hat doch die 41-Jährige alle Chancen, jüngste Regierungschefin Dänemarks zu werden. Es ist allerdings kein glänzendes Wahlergebnis für die Sozialdemokraten. Mit knapp 26 Prozent liegen sie sogar unter ihrem Wert bei der Wahl 2015.

Frederiksen setzte im Wahlkampf auf zwei Botschaften. Sie verspricht, die strikte Mitte-rechts-Linie bei Migration und Integration fortzusetzen und will mehr für den Wohlfahrtsstaat ausgeben. Beide Themen sind auch Kernanliegen der DF, deren Wähler den Rechtspopulisten scharenweise den Rücken kehrten. Sie stürzte von 21,1 auf 8,7 Prozent ab. Insofern ging Frederiksens Strategie auf, den "blauen Block" durch Übernahme seiner Themen zu schwächen.

"Keine schnelle Lösung"

Die Kehrseite: Die Sozialdemokraten verschreckten damit linksliberale Wähler. Da nur zwei Prozent für den Einzug in das Parlament reichen, sind viele Wähler zu kleineren Parteien des roten Blocks abgewandert. Davon profitierten insbesondere die Sozialliberalen - politische Heimat der als EU-Kommissionspräsidentin gehandelten Margrethe Vestager - und die Sozialistische Volkspartei. Sie verdoppelten ihre Mandatszahlen.

Beide Parteien können nun den Preis für die Unterstützung einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung in die Höhe treiben. Sozialliberalen-Chef Morten Östergaard versprach, Frederiksen bekomme eine Chance als Premierministerin - "wenn sie sich meiner Richtung anschließt". "Es gibt Meinungsunterschiede, ich erwarte keine schnelle Lösung", meinte Frederiksen.

Unisono fordern Sozialistische Volkspartei und Sozialliberale eine weniger restriktive Migrations- und Asylpolitik. Frederiksen schlägt - schwer mit dem Völkerrecht vereinbar - vor, dass Asylwerber ihre Anträge nur noch in Zentren außerhalb Europas einbringen dürfen und dort bleiben sollen. Die Sozialdemokraten haben in der vergangenen Legislaturperiode auch viele der 114 Verschärfungen des Venstre-geführten Ministeriums für Ausländer und Integration unterstützt.

Diesen Grundkonsens zwischen Venstre, der DF und den Sozialdemokraten wird Frederiksen nicht verlassen. Möglich ist daher, dass sie eine Ein-Partei-Minderheitsregierung anstrebt. Mit nur 48 von 179 Sitzen im Folketing sind aber zähe Mehrheitsbildungen zu befürchten.

Während Frederiksen in Migrationsfragen Mehrheiten mit Parteien rechts der Mitte finden könnte, würde sie in der Sozialpolitik bei den bewährten Partnern des "roten Blocks" andocken. Sie sprach von einer Abstimmung über den Wohlfahrtstaat mit völlig eindeutigem Ausgang. Denn trotz der hohen Steuerlast haben die Dänen immer weniger erhalten: Ein Fünftel der Schulen wurde im vergangenen Jahrzehnt geschlossen, jedes vierte Krankenhaus sperrte zu. Derweil wird der Graben zwischen der prosperierenden Hauptstadt Kopenhagen und dem Land immer größer.

Zwei-Prozent-Hürde

Auf Frederiksen warten somit große Herausforderungen. Sie hat sich auch ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, will mit ihrem Kurs Vorreiterin der europäischen Linken werden. Umgekehrt suchen die vielerorts krisengebeutelten Sozialdemokraten verzweifelt nach einem Rezept, wie Rechtspopulisten eingehegt werden können. Das dänische Modell kann aber nicht einfach übertragen werden. Die Hürde für den Einzug in das Parlament liegt mit zwei Prozent viel niedriger als im EU-Schnitt. Dadurch ist die Parteienlandschaft zersplittert, zehn Parteien sind künftig im Folketing vertreten. Auch ist das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament anders. Minderheitsregierungen sind Regelfall und nicht Ausnahme.

Höchstens steht Dänemark mit anderen skandinavischen Ländern in einer Reihe. In Norwegen gibt es fixe Wahltermine alle vier Jahre, vorgezogene Neuwahlen sind nicht vorgesehen. Dadurch sind die Parteien zur Zusammenarbeit gezwungen, auch wenn sie keine Koalition bilden. In Schweden wird die rot-grüne Minderheitsregierung von zwei Mitte-rechts-Parteien geduldet.

Diese ungewöhnliche Allianz bildete sich, um die rechtspopulistischen Schwedendemokraten von der Tolerierung einer Regierung fernzuhalten. In Dänemark haben sich Parteien rechts von der DF etabliert, weil diese in Migrationsfragen zum Mainstream geworden ist. Die "Neuen Konservativen", die keine Asylwerber mehr aufnehmen wollen, ziehen ins Parlament ein. Knapp gescheitert ist der rechtsextreme "Stramme Kurs", der den Islam verbieten und Muslime ausweisen will.