Chisinau. (leg) Die Republik Moldau gehört zu jenem Gürtel postsowjetischer Länder, die zwischen der EU und Russland gelegen sind und die schon deshalb Objekt geopolitischer Begehrlichkeiten in Ost und West sind. Auf dem Gebiet der Moldau, früher auch Moldawien genannt, wird neben dem dominierenden Rumänisch auch Russisch und Ukrainisch gesprochen. Es gibt prorussische Kräfte, meist Sozialisten oder Kommunisten, und es gibt Parteien, die sich an der EU orientieren.

Diese Spaltung hat auch bereits zu einem "frozen conflict", einem eingefrorenen Konflikt geführt: In Transnistrien, wo sich zu Beginn der Neunziger Jahre russische Separatisten gewaltsam von Moldawien lossagten und ihre eigene, von kaum jemandem anerkannte Schmugglerrepublik begründeten - ein Kuriosum, das heute Reiseziel von Sowjet-Nostalgikern und Trampern ist. Dass es in der Moldau aber einmal so weit kommen würde, dass Russland, die EU und die USA an einem Strang ziehen könnten, schien kaum vorstellbar.

Und doch ist es jetzt passiert. Der Grund dafür heißt Vladimir - abgekürzt: Vlad - Plahotniuc. Der Sohn einer kinderreichen Lehrerfamilie ist nicht nur der reichste Mann des Landes, sondern auch der politisch einflussreichste. Seine Partei, die Demokratische Partei Moldaus (PDM), eine grundsätzlich proeuropäische Kraft, stellte bis vor kurzem noch den Premierminister. Plahotniucs Gegner werfen dem 58-Jährigen vor, dass er die Republik Moldau in einen gekaperten Staat verwandelt habe, den er gemeinsam mit seiner Entourage auf dem Gebiet der Politik, dem Energiesektor, der Wirtschaft, der Justiz und der Medien kontrollieren würde. So besetzte der Oligarch in den letzten Monaten etwa das Verfassungsgericht mit ihm absolut hörigen Erfüllungsgehilfen, nachdem zuvor fast alle der sechs moldauischen Verfassungshüter völlig überraschend zurückgetreten waren - angeblich wegen gesundheitlicher Probleme.

Ereignisse überschlugen sich

Doch die Macht des Oligarchen bröckelt: Am 24. Februar gewannen die prorussischen Sozialisten (PRSM) die Parlamentswahlen. Und Plahotniucs Partei schaffte es nicht, eine Mehrheit für eine Regierung zustande zu bringen. Lange Zeit konnten sich aber auch die sonstigen prorussischen und proeuropäischen Kräfte in der Moldau nicht auf eine Zusammenarbeit einigen.

Das änderte sich am letzten Wochenende, als sich die Ereignisse überschlugen. Zunächst verfügte das von Plahotniuc gesteuerte Verfassungsgericht die Auflösung des Parlaments und die Ausrufung von Neuwahlen - mit der Begründung, dass die Frist zur Bildung einer Regierung bereits abgelaufen sei. Das Parlament und der prorussische Präsident Igor Dodon widersetzten sich aber: In der Nacht auf Samstag einigten sich die Sozialisten und das proeuropäische Wahlbündnis ACUM auf eine Koalition. Sie wählten die ACUM-Politikerin Maia Sandu zur Premierministerin. Diese forderte Plahotniuc zur "friedlichen Machtübergabe" auf. "Der Diktator ist gefallen, ab heute hat das oligarchische Regime ein Ende", sagte sie.

Plahotniucs PDM war während der Abstimmung nicht im Saal, der Oligarch ließ dem Parlament zudem den Strom abdrehen. Da Dodon der Aufforderung des Verfassungsgerichts, das Parlament aufzulösen, nicht nachkam, suspendierte dieses am Sonntag den Präsidenten von seinem Amt - und setzte Pavel Filip, den Ex-Regierungschef der PDM, zunächst sowohl als Premier als auch als Interimspräsidenten ein. Dieser tat auch sofort das Erwartbare: Er löste das Parlament auf und rief vorgezogene Neuwahlen aus.

Zwei Premiers und Präsidenten

Damit stehen sich in der Moldau zwei Regierungen, zwei Premierminister und zwei Präsidenten gegenüber: auf der einen Seite Plahotniucs Präsident und Premier Filip, auf der anderen die Anti-Plahotniuc-Koalition aus Dodon und Sandu. Letztere wird nicht nur von 84 moldauischen Nichtregierungsorganisationen, sondern auch von den USA, Russland und der EU in seltener Einhelligkeit unterstützt. Plahotniucs Einsatz in dem Machtkampf ist hoch, er ließ Anhänger in Bussen zu einer Großkundgebung herankarren. Aber auch die neue Regierung gibt nicht nach. Die EU rief zu "Ruhe und Zurückhaltung" auf.