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Aus von Pkw-Maut: Vor dem EU-Recht sind alle gleich

Von Brigitte Pechar

Politik

Europarechtler Walter Obwexer ist froh über das EuGH-Urteil zur Deutschen Maut: Eine andere Entscheidung wäre für die europäische Integration sehr schädlich gewesen.


"Wiener Zeitung":Der EuGH hat entschieden, dass die vorgesehene deutsche Maut eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellt und gegen die Grundsätze des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs verstößt. Können Sie erklären, wie das gemeint ist?

Walter Obwexer: Der Gerichtshof ist bei seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten und zum Diskriminierungsverbot geblieben. Er hat zweitens in Übereinstimmung mit der österreichischen Argumentation, dass wenn ein Mitgliedsland so wie Deutschland eine Infrastrukturabgabe und die Kraftfahrzeugsteuer zeitlich und inhaltlich so eng aufeinander abstimmt, diese gemeinsam zu betrachten und zu bewerten sind. Und gemeinsam bedeuten die Infrastrukturabgabe und die Entlastung der Halter deutscher Kraftfahrzeuge einen Verstoß gegen Diskriminierungsverbot und Binnenmarkt. Damit hat der EuGH das bestätigt, wovon Österreich ausging: Dass die deutsche Mautregelung, nach der de facto die deutschen Autofahrer nichts zahlen, nicht durchgehen darf, wenn der EuGH bei seiner bisherigen Judikatur zum Diskriminierungsverbot, zum freien Warenverkehr zum freien Dienstleistungsverkehr bleibt.

Der Generalanwalt des EuGH hat noch im Februar dazu geraten, die Klage Österreichs gegen Deutschland abzuweisen. Kann man sich erklären, warum der Generalanwalt so geraten hat?

Ganz kann man es sich nicht erklären, aber die Generalanwälte machen Vorschläge und die können manchmal auch alternativ sein. Er hat eben vorgeschlagen, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Das hätte dann zur Konsequenz gehabt, dass Österreich mit seiner Klage nicht durchgekommen wäre. Das hätte aber noch eine viel weitreichendere Konsequenz gehabt, weil dann andere Mitgliedstaaten das deutsche Modell übernehmen hätten können. Dann wäre eine Situation in der Union ausgebrochen, dass Mitgliedstaaten Unionsbürger nur aus dem Ausland zur Kasse bitten - was für die europäische Integration sehr schädlich gewesen wäre. Der EuGH ist diesem Entscheidungsvorschlag Gott sei Dank im Sinne der europäischen Integration nicht gefolgt.

Es ist eher ungewöhnlich, dass ein Deal zwischen der EU-Kommission und einem großen Mitgliedstaat nicht hält und ein so kleines Land wie Österreich sich mit einer Klage dagegen durchsetzt.

Zwei Dinge dazu: Ja, die Kommission hat mit Deutschland einen Deal gemacht, aber nur weil sie wollte, dass Deutschland die Änderung der Wegekostenrichtlinie mitträgt, was Deutschland dann auch gemacht hat. Die Kommission kann politische Deals abschließen, der Gerichtshof nicht. Der EuGH ist verpflichtet, die Verträge auszulegen und darf keine Unterschiede zwischen großen und kleinen Mitgliedstaaten machen. Das hat er auch in diesem Fall nicht, sondern er hat das große Deutschland verurteilt, zugunsten des kleinen Österreich, das von den kleinen Niederlanden unterstützt wurde. Darauf baut ja auch die Rechtsunion, dass der Gerichtshof rechtlich beurteilt und nicht darauf schaut, ob es sich um einen kleinen oder großen Mitgliedstaat handelt.

Aber die EU-Richter haben festgestellt, dass die Abwicklung über die Infrastrukturabgabe nicht diskriminierend sei. Dabei handelt es sich um die stichprobenartige Überwachung, die etwaige Untersagung der Weiterfahrt mit dem betreffenden Fahrzeug, die nachträgliche Erhebung der Infrastrukturabgabe, die mögliche Verhängung eines Bußgelds sowie die Zahlung einer Sicherheitsleistung. Was heißt das?

Das bedeutet nur: Deutschland darf von ausländischen Autofahrern eine Sicherheit verlangen, wenn diese die Vignette und die Strafe nicht sofort zahlen. Österreich hat auch dagegen argumentiert, in diesem Punkt aber nicht Recht bekommen. Der ist aber nicht sehr relevant.

Welche Möglichkeiten bleiben Deutschland jetzt, die Maut doch noch zu behalten?

Deutschland kann die Infrastrukturabgabe einführen, darf aber die Kfz-Halter nicht direkt entlasten. Es könnte die Kfz-Steuer ökologisieren oder reduzieren, aber es darf die beiden Maßnahmen nicht zusammenlassen.

Deutschland muss jetzt reagieren?

Ja, genau. Das heißt aber nicht, dass Deutschland die Infrastrukturabgabe nicht einführen darf und Österreicher künftig in Deutschland keine Maut zahlen müssen.

Aber Deutschland könnte schon versuchen, über Umweltsteuern und Ähnliches die Infrastrukturabgabe für die Deutschen schonend zu gestalten?

Deutschland könnte eine Infrastrukturabgabe einführen und vielleicht ein oder zwei Jahre später die Kfz-Steuer ändern. Etwa umweltschädliche Fahrzeuge stärker, umweltschonende weniger zu belasten. Es könnten die Kfz-Steuern überhaupt gesenkt werden. Das wäre unionsrechtlich nicht verboten. Nur eben nicht gleichzeitig und inhaltlich aufeinander abgestimmt.

Sie haben ja 2017 die Klage Österreichs mit vorbereitet. Fühlen Sie sich bestätigt?

Ich habe das Verkehrsministerium beraten und an der Klage mitgeschrieben. Natürlich ist man froh, wenn man beraten hat und Recht bekommt. Aber ich bin auch froh für die Europäische Union, dass das Gericht so entschieden hat. Damit die Mitgliedstaaten eben nicht die Möglichkeit haben, EU-Ausländer zur Kasse zu bitten.