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Tschechiens Premier Babis wankt - aber fällt er?

Von Klaus Huhold

Politik

Massenproteste, ein Misstrauensvotum und Kritik aus Brüssel: Tschechiens Premier Andrej Babsis steht schwer unter Druck. Trotzdem sieht es derzeit nicht danach aus, dass der Polit-Milliardär sein Amt verlieren wird.


Prag/Wien. Der Letna-Park ist eines der beliebtestens Ausflusziele der Prager. Sie besuchen den Biergarten, der auf einer kleinen Anhöhe einen wunderschönen Blick über die Altstadt gibt, gehen mit ihren Hunden spazieren oder spielen auf den weitläufigen Rasenflächen Fußball. Diesen Sonntag wird der Letna-Park überfüllt sein wie selten zuvor. Aber nicht wegen irgendwelcher Freizeitvergnügen, sondern aus politischen Gründen. Denn es wird dort ein Massenprotest gegen Premier Andrej Babis stattfinden.

Dass der Letna-Park als Ort für die Demonstration gewählt wurde, hat historische Dimensionen. Schon während der Samtenen Revolution, die 1989 zum Sturz des Kommunismus führte, wurden die Proteste vom Wenzelsplatz in den Letna-Park verlegt, weil dort auf den großen Freiflächen viel mehr Menschen Platz finden.

Auch diesmal platzte der vergleichsweise kleinere Wenzelsplatz bereits aus allen Nähten: Als dort am 4. Juni gegen den Premier protestiert wurde, zählten die Organisatoren rund 120.000 Teilnehmer, die Behörden rund 70.000. Diesen Sonntag erwartet die Bürgerinitiative "Eine Million Momente für die Demokratie" noch mehr Demonstranten. Babis steht enorm unter Druck. Seit Wochen verlangen Demonstranten in Prag und im geringeren Ausmaß auch in anderen Städten seinen Rücktritt. Im Parlament wird er sich einem Misstrauensvotum stellen müssen. Und zwei Berichte der EU-Kommission sehen einen schweren Interessenskonflikt bei dem früheren Geschäftsmann, der erst spät in die Politik wechselte.

In Bedrängnis bringt Babis zunächst einmal die Affäre "Storchennest". Babis und mehrer Familienangehörige stehen unter dem Verdacht, sich für das gleichnamige Luxusressort EU-Subventionen, die dem Projekt nicht zustanden, erschlichen zu haben. Die ermittelnden Beamten der Polizei haben der Staatsanwaltschaft eine Anklage empfohlen. Das war im April - und kurz darauf hatte Tschechien mit Marie Benesova eine neue Justizministerin, die als enge Vertraute des Regierungschefs gilt. Das war der Startschuss für die ersten Proteste.

Diese wurden dann auch noch durch Nachrichten aus Brüssel angefacht. Demnach muss Tschechien eventuell Fördergelder in zweistelliger Millionenhöhe an die EU zurückzahlen, weil diese Babis Rolle als Politiker als unvereinbar mit seinen geschäftlichen Interessen ansieht.

Seine Anhänger stehen offenbar hinter Babis

Sein Vermögen machte der Milliardär mit dem Konzern Agrofert, der im Agarbereich groß wurde und mittlerweile auch zwei große Qualitätszeitungen und einen sehr populären Radiosender besitzt. Der gebürtige Slowake hat sich zwar von seinen Anteilen getrennt und sie treuhänderisch an zwei Stiftungen übergeben. Doch es ist in Tschechien ein offenes Geheimnis, dass er weiterhin seine Hand auf dem Konzern hält.

Seine Erfolge als Geschäftsmann sollen Babis mit einem sehr starken Selbstbewusstsein ausgestattet haben. Auch jetzt sieht er bei sich keinerlei Fehlverhalten. Die Einwände der EU bezeichnet er als "Angriffe auf die Tschechische Republik". Und dass er von den Demonstranten als Lügner und Betrüger dargestellt werde, sei derart inakzeptabel, dass er nicht mit ihnen sprechen wolle.

Und auch wenn Babis wankt - so wie sich die Lage momentan darstellt, gibt es gute Gründe anzunehmen, dass er nicht stürzen wird. Gegen Babis protestierten hauptsächlich Oppositionsanhänger, Akademiker und Studenten - seinen Rücktritt forderten somit diejenigen, "die ihn ohnehin niemals wählen würden" schreibt auf dem Internetportal "info.cz" der Journalist und Politkommentator Petr Holec.

Tatsächlich scheinen die Proteste nur bei einer gewissen städtischen Schicht Widerhall zu finden: Bei einer vor einer Woche veröffentlichten Meinungsumfrage des Instituts "Median" gaben 59 Prozent der Befragten an, dass sie die Proteste gegen Babis nicht interessieren würden. Und bei seinen Anhängern, darunter viele Pensionisten und Arbeiter, scheint die Popularität von Babis ungebrochen. Die Europawahl Ende Mai gewann seine Partei, die populistisch-liberale ANO mit 21 Prozent der Stimmen, bei einer nationalen Wahl könnte sie mit noch mehr Stimmen rechnen.

Der 64-Jährige ist ein guter Rhetoriker, der sich immer wieder als Opfer von Intrigen präsentiert. Außerdem profitiert er davon, dass Tschechien einen Wirtschaftsaufschwung erlebt, was sich in einer niedrigen Arbeitslosigkeit und gestiegenen Gehältern niederschlägt.

Zudem hat der Premier einen einflussreichen Verbündeten: Präsident Milos Zeman. Dieser meinte bereits, dass die Proteste sinnlos seien. Er respektiere zwar das Recht zu demonstrieren, doch in einer parlamentarischen Demokratie könne ein Premier nur durch Wahlen oder ein Misstrauensvotum gestützt werden.

Die Situation bleibt unangenehm für den Premier

Einen derartigen Misstrauensantrag wollen die Oppositionsparteien auch demnächst einbringen. Doch es sieht danach aus, dass der Koalitionspartner, die Sozialdemokraten, ANO die Treue hält, und dass auch die Kommunisten, die die Regierung dulden, diese weiter gewähren lassen. Dass Babis wegen seiner Finanzaffären in der eigenen Partei in Frage gestellt wird, ist kaum vorstellbar: ANO wurde von ihm gegründet und ist ganz auf ihn zugeschnitten.

Trotzdem: Die Situation bleibt sehr unangenehm für Babis. Die Justiz wird ihm wohl noch länger im Nacken sitzen. Und ein mit
Demonstranten gefüllter Letna-Park ist schon allein wegen der historischen Erinnerungen kein schönes Bild für den tschechischen Premier.