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EU feilscht um ihr Personal

Von Martyna Czarnowska aus Brüssel

Politik

Die Besetzung von Spitzenpositionen in der Gemeinschaft dominierte den ersten Tag des Gipfels der Staats- und Regierungschefs. Die Klimaziele der EU rückten dabei in den Hintergrund. Auch, weil es Widerstand gibt.


Brüssel. Sie sei "gut vorbereitet" und gehe "ergebnisoffen" in die Beratungen hinein: Bevor die österreichische Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein ihr erstes Treffen mit ihren europäischen Amtskollegen absolvierte, gab sie sich zurückhaltend. Bei der Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs, die am Donnerstag begann, stünden wichtige Themen auf der Tagesordnung, fasste Bierlein zusammen: die so genannte strategische Agenda, die Debatte um die Besetzung von EU-Spitzenposten, der Kampf gegen den Klimawandel. Zum letzten Punkt ließ sich die Kanzlerin denn auch lobende Worte entlocken. Das Ziel der Klimaneutralität für die EU bis 2050 könne Österreich "voll mittragen".

Die anstehenden Personalentscheidungen in der EU wollte Bierlein hingegen nicht näher kommentieren. Sie war auch nicht die einzige. Denn bei der Vergabe der Topjobs zeichnete sich zunächst keine Einigung ab. Zu besetzen gilt es die Posten von EU-Kommissions- und -Ratspräsident, des EU-Außenbeauftragten und die Leitung der Europäischen Zentralbank. Dabei wollen einige Länder den Wunsch der großen EU-Parlamentsfraktionen nach dem Spitzenkandidaten-Modell nicht erfüllen. Die Forderung wäre, dass die stimmenstärkste Partei im Abgeordnetenhaus den Kommissionspräsidenten stellt.

"Papstwahl schneller"

Insgesamt muss ein Personalpaket geschnürt werden, das die politischen und geografischen Gegebenheiten, regionale Interessen und auch die Ausgewogenheit der Geschlechter berücksichtigt. Was den irischen Ministerpräsidenten Leo Varadkar zu dem Kommentar verleitete: "Es geht oft schneller, einen Papst auszuwählen, als sich auf diese Positionen zu verständigen."

So nutzten manche Spitzenpolitiker das Gipfeltreffen auch dazu, andere Anliegen zu lancieren. Italiens Premier Giuseppe Conte etwa brachte das Thema Budgetdisziplin aufs Tapet. Er wolle sich dafür einsetzen, die EU-Regeln für die Staatshaushalte der Mitgliedsländer zu ändern. "Wir haben einen Stabilitäts- und Wachstumspakt, der sich nur auf Stabilität und nicht auf Wachstum konzentriert", erklärte er. Diese Reihenfolge gehöre umgedreht.

Italien droht wegen seiner hohen öffentlichen Schulden ein Strafverfahren der EU. Die Einleitung dessen hat die Kommission den Mitgliedstaaten bereits empfohlen. In einem Antwortschreiben an Kommission und Länder zeigte sich Rom zwar zum Dialog bereit. Doch findet sich dort gleichzeitig Kritik am "Entwicklung- und Wachstumsmodell" der EU. Dieses sei nicht in der Lage, Antworten auf die Herausforderung verarmter Gesellschaften zu finden, in denen Misstrauen und Enttäuschung wachse.

Klimaneutralität 2050 in einer Fußnote

Gespräche darüber könnte es am Rande des Eurozonengipfels geben, der am Freitag stattfindet. Im Vordergrund soll aber die Zukunft der Gemeinschaftswährung stehen. Für Zwistigkeiten sorgen dabei die - unter anderem von Paris forcierten - Pläne zur Etablierung eines eigenen Haushalts für den Euroraum. Die Finanzierung bleibt nämlich unklar, ebenso die Höhe des Budgets. Dieses soll das Wachstum in den Ländern ankurbeln.

Mehr Bereitschaft zum Kompromiss gibt es da bei den angepeilten Klimazielen. Die Rede ist von der Vorgabe, bis zum Jahr 2050 Treibhausgas-Neutralität sicherzustellen. Das bedeutet, dass die Emissionen durch andere Maßnahmen, beispielsweise durch Aufforstung oder CO2-Speicherung, ausgeglichen werden müssten.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt die Idee ebenso wie der französische Staatspräsident Emmanuel Macron. Zuspruch nur unter Bedingungen kommt allerdings aus mehreren osteuropäischen Staaten, die ihre Energie mit einem hohen Kohleanteil erzeugen. Daher wurden schon in den Entwurf für die Gipfelerklärung einige Zusicherungen eingebaut.

So solle das Ziel der Klimaneutralität nicht die europäische Wettbewerbsfähigkeit gefährden - worauf nicht zuletzt die Wirtschaft pocht. Ebenso müssten die Maßnahmen "fair und sozial ausgeglichen" sein sowie das Recht der Mitgliedstaaten respektieren, selbst über den eigenen Energiemix zu entscheiden.

Der entsprechende Passus zur angestrebten Klimaneutralität bis 2050 soll allerdings dann laut Diplomaten am Donnerstagabend nach langwierigen Verhandlungen in eine Fußnote gerutscht sein. Im Gipfelbeschluss bekennen sich die EU-Mitgliedsländer zwar zum Pariser Klimaabkommen, aber ohne Datum. In der Fußnote wird vermerkt, dass die große Mehrheit der EU-Staaten die Ziele bis 2050 erreichen will.

Tauziehen ums Geld

Der Kampf gegen den Klimawandel ist einer der Punkte auf der "strategischen Agenda", die die Arbeitsrichtung der EU in den kommenden Jahren vorgeben soll. Die Palette der Schwerpunkte darin reicht eben von Bemühungen zum Klimaschutz über Grenzsicherung und Digitalisierung bis hin zu einer Stärkung der Rolle Europas in der Welt. So weit gesteckt die Ziele aber auch sind - konkrete Vorgaben fehlen bis jetzt. Präziser soll es erst im Herbst werden.

Zu dem Zeitpunkt müsste auch eine Diskussion über die künftige Haushaltsplanung für die Jahre 2021 bis 2027 geführt werden. Es geht dabei um ein Finanzvolumen in Höhe von rund einer Billion Euro. Und auch da ist ein mühsames Tauziehen absehbar. Denn EU-Kommission und -Parlament fordern meist mehr Geld für die EU, als die Länder bereit sind, zur Verfügung zu stellen. Die Kommission hätte gern, dass die Mitgliedstaaten für das mehrjährige Budget 1,114 Prozent des Bruttoninlandsprodukts garantieren. Das lehnen etliche Regierungen, darunter Österreich, ab. Unter den Staaten selbst gibt es noch dazu ebenfalls Differenzen - etwa unter denen im Osten und Südosten, die stark von Infrastruktur-Förderungen profitieren und den so genannten Nettozahlern, die mehr in den gemeinsamen Haushalt einzahlen, als sie daraus erhalten.

Die EU-Kommission drängt darauf, bis Jahresende einen Kompromiss zu erreichen. Andernfalls könnten im nächsten Jahr keine Anträge für etliche EU-Förderprogramme gestellt werden.