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Doch keine schlechtere Ware für Osteuropa

Von Martyna Czarnowska

Politik

EU-Studie ortet keine systematische Benachteiligung durch Lebensmittel-Konzerne. Unterschiede gibt es trotzdem.


Brüssel/Wien. Bei Nutella und Manner-Schnitten gibt es keinen Unterschied, bei Iglo Fischstäbchen schon. Fast 1400 Waren in 19 EU-Staaten hat die EU-Kommission untersuchen lassen, um herauszufinden, ob in den Ländern im gleichen Markenprodukt auch die gleichen Ingredienzen stecken. Die Palette reichte von Almette-Streichkäse und Bahlsen-Keksen über Barilla-Sugo und Maggi-Suppenwürfel bis hin zu Fanta und Nescafe. Fazit der Studie: Es gebe zwar einige Differenzen in der Zusammensetzung, aber ein "einheitliches geografisches Muster" lasse sich nicht erkennen.

Hintergrund der Testreihe waren Klagen einiger osteuropäischer Länder über minderwertige Waren. Internationale Lebensmittel-Konzerne würden Staaten wie Ungarn, Polen, die Slowakei gezielt benachteiligen, indem sie dort niedrigere Qualitätsstandards als in Westeuropa gelten ließen - die Produkte aber unter dem gleichen Namen und in der gleichen Verpackung anbieten würden. Beispielsweise wäre der Fleischgehalt niedriger und der Fettgehalt höher.

Das Thema gelangte vor gut zwei Jahren auch auf die Agenda eines EU-Gipfeltreffens, später verfassten die vier Regierungen der aus Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei bestehenden Visegrad-Gruppe erneut eine gemeinsame Erklärung, in der sie die "Diskriminierung" der osteuropäischen Kunden anprangerten. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker griff das ebenfalls in seiner Rede zur Lage der Union auf und wandte sich gegen "doppelte Standards".

Gleiche Hülle, anderer Inhalt

Ende des Vorjahres hat dann ein in seiner Behörde angesiedeltes Forschungszentrum die Waren unter die Lupe genommen. Die Überprüfung ergab, dass neun Prozent der Produkte unterschiedliche Inhaltsstoffe haben, obwohl die Verpackung identisch ist. Bei weiteren 22 Prozent war es eine sehr ähnliche Packung. In den meisten Fällen aber waren die Ingredienzen gleich oder die Unterschiede wurden durch die Verpackung ausgewiesen.

EU-Kommissar Tibor Navracsics bezeichnete die Ergebnisse der Untersuchung als "durchwachsen". Er zeigte sich zwar "glücklich", dass sich keine Spaltung in west- und osteuropäische Märkte nachweisen lasse. Dennoch sei er besorgt, dass immerhin fast ein Drittel der Produkte unterschiedlich zusammengesetzt sei.

Völlig aus der Luft gegriffen scheinen die Vorwürfe aus Budapest oder Bratislava trotzdem nicht. Zu sehen ist das bei einzelnen Waren. Iglo Fischstäbchen etwa haben in Deutschland und den Niederlanden einen Fettanteil von 7,7 Gramm pro 100 Gramm. In Tschechien, Ungarn und der Slowakei aber sind es 9,1 Gramm. Der Seelachs-Anteil wiederum ist im Westen höher: Er liegt bei 65 Prozent - und damit um sieben Prozent über dem in den anderen drei Staaten.

Die Lebensmittel-Unternehmen argumentieren zumeist damit, dass die Inhaltsstoffe den jeweiligen Märkten angepasst werden und berufen sich auf unterschiedliche Produktionsstätten, Umfragen oder nationale Regelungen wie die "Fischleitsätze" in Deutschland. Die Qualität würde nicht darunter leiden. Außerdem würden zwei Drittel der Konsumenten laut Marktforschern den Unterschied sowieso nicht erkennen, versichert etwa der Süßwarenhersteller Ferrero.

Weitere Untersuchungen

Die EU-Kommission möchte das Thema dennoch weiterverfolgen. Denn zwar dürfen Produzenten in der EU ihre Waren mit unterschiedlichen Ingredienzen auf diverse Märkte bringen. Doch dürfen Verbraucher nicht durch identische oder ähnliche Verpackungen in die Irre geführt werden. Das könnte nämlich als "unfaire Handelspraktik" angesehen werden, was wiederum gegen EU-Regelungen verstößt.

Die Kommission lädt nun die Mitgliedstaaten ein, die neu entwickelte Prüfmethode zu weiteren Untersuchungen zu nutzen. Außerdem sollen Konsumentenschutzorganisationen gestärkt werden, um weitere Tests durchführen zu können. Für all die Maßnahmen sollen 4,6 Millionen Euro zur Verfügung stehen.