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Spanien steuert auf Neuwahl zu

Von WZ-Korrespondent Manuel Meyer

Politik

Der sozialistische Regierungschef Pedro Sánchez verfehlt erneut die parlamentarische Mehrheit für die Wiederwahl.


Madrid. Es war abzusehen. Dennoch ließ Pedro Sánchez am Donnerstag im spanischen Parlament seinen ganzen Frust gegen den Linken raus. Mit ernster Miene richtete sich Spaniens geschäftsführender Ministerpräsident vor der Abstimmung über seine Wiederwahl an Pablo Iglesias. "Senor Iglesias, wenn Sie mich zwingen, zwischen meinen Überzeugungen zu wählen und einer Regierung, die Spanien nicht dienlich ist, dann wähle ich meine Überzeugungen!"

Mit diesen klaren Worten erklärte der Sozialist nicht nur die harten Koalitionsgespräche mit Iglesias linkem Parteienbündnis Unidas Podemos (UP) endgültig für gescheitert, sondern nahm bereits vor der Parlamentsabstimmung seine Niederlage hin. Und so kam es dann auch: Lediglich Sánchez’ 123 sozialistische Abgeordnete sowie der Vertreter einer kleinen Regionalpartei votierten dann für die Wiederwahl des Sozialisten.

Dritter Versuch im September, aber schlechte Aussichten

Die 42 UP-Abgeordneten, die baskischen Nationalisten, Kataloniens separatistischen Linksrepublikaner (ERC) sowie kleinere Regionalparteien enthielten sich. Die Konservativen (PP), die konservativ-liberalen Ciudadanos, die Rechtspopulisten von Vox und zwei weitere Regionalparteien stimmen gegen Sánchez. Seine Wiederwahl wurde so innerhalb von 48 Stunden mit 124 Ja- und 155 Nein-Stimmen zum zweiten Mal abgelehnt.

Zwar hat Sánchez rein theoretisch noch einen dritten Versuch am 24. September. Aber die Aussicht auf Erfolg ist düster. "Die harten Koalitionsgespräche haben das Verhältnis zwischen Sánchez und Iglesias derart zerstört, dass ich eine Einigung bis September mehr als bezweifle", erklärt der spanische Politologe Pablo Simón der "Wiener Zeitung". Auch Spaniens Medien sind sich sicher: Spanien steuert nun auf Neuwahlen am 10. November zu.

Mit den Ja-Stimmen von Podemos hätte Sánchez mit 165 mehr Ja- als Nein-Stimmen bekommen und regieren können. Zumal die katalanischen Separatisten der ERC ankündigten, sich bei einer Koalition zwischen Sozialisten und Linken zu enthalten. Aber der Preis schien Sánchez zu hoch gewesen. Warum eigentlich? Der Sozialist sagte es klar und deutlich in der Parlamentsdebatte. Undias Podemos habe zu hohe Forderungen gestellt, zu wichtige Ministerien verlangt, was zudem nicht zu einer Koalitionsregierung, sondern zu zwei Regierungen mit unterschiedlichen Prioritäten geführt hätte. Er wolle Ministerpräsident sein, aber nicht um jeden Preis, erklärte Sánchez. Und er stellte klar: "Wir können das Finanzamt nicht in die Hände einer Partei legen, die noch nie regiert hat."

Angst und Egoismus verhinderten linkes Bündnis

Das dürfte aber nur die halbe Wahrheit sein. Sánchez bevorzugt, ohne die Linken zu regieren. Die Koalitionen auf regionaler Ebene mit der basisdemokratisch orientierten Links-Formation hatten sich bereits als sehr problematisch erwiesen. Zudem war Podemos für die Sozialisten in den vergangenen fünf Jahren zu einer ernsten Bedrohung geworden. Noch vor einem Jahr war Iglesias kurz davor, den Sozialisten im linken Wählerspektrum die Hegemonie zu stehlen. Die Sozialisten haben keine Interesse daran, sich den direkten Gegner an die Seite zu holen.

Andererseits war der Druck der UP auf die Sozialisten zu hoch, weil sie selber unter Druck stehen. Das Problem: "Podemos befindet sich in einer tiefen Krise. Nach dem Wahldebakel vom 28. April, bei denen die aus der Empörten-Bewegung hervorgegangene Partei fast die Hälfte ihrer Sitze verlor, versucht Iglesias den weiteren Niedergang durch eine Regierungsbeteiligung zu retten", so Politikexperte Pablo Simón.

Zu viele Ängste und Egoismen treffen aufeinander. Denn die Parteien liegen thematisch eigentlich gar nicht weit auseinander. Doch Pablo Iglesias stellte noch am Donnerstag erneut klar, dass das Angebot von Sánchez für die 42 UP-Stimme eine Beleidigung und Erniedrigung seien. Wenn eine Vize-Präsidentschaft und drei Ministerien eine Erniedrigung seien, wüsste er auch nicht mehr weiter, entgegnete Sánchez in der Parlamentsdebatte. Mit den angebotenen Kabinettsposten könne seine Partei nicht ihre politischen Prioritäten umsetzen, wie "die Mindestlohn anheben, prekäre Stellen beseitigen, den Strompreis senken und den Klimawandel bekämpfen", so Iglesias.

Tatsächlich nahm Unidas Podemos während der harten Koalitionsverhandlungen Forderungen zurück, um in die Regierung zu kommen. Das lag aber auch auf der Hand. Denn die Linken werden die großen Verlierer von Neuwahlen sein, bei denen laut Umfragen ein Erstarken der Konservativen zu erwarten ist, auch wenn Sánchez erneut - und auf Kosten der Linken - klar gewinnen würde, ohne jedoch eine absolute Mehrheit zu bekommen.