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Selenskyj will Kiewer Stadtchef Klitschko entmachten

Von Viktoria Diadia und Gerhard Lechner

Politik

Der ukrainische Präsident will nach seinen triumphalen Wahlsiegen auch die Stadt- und Regionalverwaltungen mit seinen Leuten besetzen.


Kiew. Wolodymyr Selenskyj kann zufrieden sein. Die Präsidentenwahlen im April hat der Ex-Komiker mit haushohem Vorsprung für sich entschieden, und im Juli hat seine Liste "Diener des Volkes" bei der Parlamentswahl in beispielloser Weise die absolute Mehrheit geholt.

Nur eines fehlt dem machtbewussten Sympathieträger noch, um störungsfrei per Machtvertikale regieren zu können: die Macht in den Regionen, insbesondere in der Hauptstadt Kiew.

Dort führt seit dem Euromaidan im Jahr 2014 der weltweit bekannte Ex-Boxer Witali Klitschko die Geschäfte. Unumstritten ist er nicht: Bei vielen Einwohnern gilt der 48-Jährige als eine Art PR-Bürgermeister, der sich zwar um schnelle Projekte für die Auslage kümmert, die wesentlichen Probleme der Stadt - Nahverkehr, Heizung, Kanalisation - aber links liegen lässt. Vielleicht war auch das ein Grund dafür, dass Selenskyjs Truppe bei der Parlamentswahl im Juli in Kiew alle Direktmandate geholt hat.

Nun droht Klitschko, einem Unterstützer von Ex-Präsident Petro Poroschenko, die Entmachtung. Selenskyjs Büro hat nämlich in einem Schreiben die ukrainische Regierung - die noch die alte Vorwahl-Regierung ist - gebeten, Klitschko als Chef der Stadtverwaltung zu entlassen. Und Noch-Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman hat signalisiert, dem nachkommen zu wollen.

Klitschko bliebe dann zwar noch - zumindest bis zu den Kommunalwahlen 2020 - gewählter Bürgermeister. Er hätte aber nicht mehr allzu viel zu sagen. Denn über die eigentliche Macht in der Stadt verfügt im ukrainischen, stark zentralisierten System der Chef der Stadtverwaltung. Und der wird vom Präsidenten ernannt. Oft ist - wie bei Klitschko bisher - der Bürgermeister auch der Chef der Stadtverwaltung. Manchmal sind die beiden Ämter aber auch durch unterschiedliche Personen besetzt. So bekamen etwa oft ukrainisch-national orientierte Städte prorussische Verwaltungschefs und russlandfreundliche Städte ukrainische Nationalisten vor die Nase gesetzt - je nachdem, wie die Führung in Kiew aussah. Das wirkte sich oft lähmend aus.

Als künftige Nummer eins in Kiew ist Oleksander Tkatschenko im Gespräch. Er ist Generaldirektor des TV-Senders 1+1 des Oligarchen Ihor Kolomojski, der Selenskyj unterstützt.