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Scholz hat doch Zeit für den SPD-Vorsitz

Von Alexander Dworzak

Politik

Der deutsche Finanzminister macht eine Kehrtwende und will Andrea Nahles´ Nachfolge antreten.


Berlin/Wien. Er werde nicht als SPD-Parteichef kandidierten, richtete Olaf Scholz aus. Aus dem Nein Anfang Juni, das der deutsche Finanzminister seitdem stets wiederholt und mit Zeitmangel begründet hat, ist zweieinhalb Monate später ein Ja geworden. Am Freitag machte der "Spiegel" publik, dass Scholz Anfang der Woche den drei Interimsvorsitzenden der Partei seine Kandidatur angeboten hatte. "Ich bin bereit anzutreten, wenn ihr das wollt", sagte der 51-Jährige. Eine Sprecherin der SPD bestätigte zwischenzeitlich den Bericht.

Damit ist Scholz der bisher prominenteste Bewerber um den Vorsitz, als Erster aus der Riege der Minister im Bundeskabinett und der SPD-Ministerpräsidenten wagt er sich aus der Deckung. Laut dem Hamburger Nachrichtenmagazin will Scholz nicht alleine sein Glück versuchen, sondern trachtet nach einer Doppelspitze. Mehrere Parteigranden ließen bereits durchklingen, dass sie nach der ersten SPD-Vorsitzenden - Andrea Nahles - gerne ein Führungsduo sehen würden, dem eine Frau angehört.

Scholz macht damit aus der Not eine Tugend. 2017 wurde er auf dem Parteitag mit desaströsen 59,2 Prozent zu einem der SPD-Vizevorsitzenden gewählt. Der ehemalige Bürgermeister Hamburgs pflegt hanseatische Zurückhaltung, doch anders als Ex-Kanzler Helmut Schmidt ist Scholz hölzern im Auftritt. Eine Person, die die Genossen zu begeistern weiß, täte beim Stimmenfang bei den knapp 430.000 Mitgliedern gut. Die Schwierigkeit besteht aber darin, eine Person auf politischer Augenhöhe Scholzens zu finden.

Als "Scholzomat" verhöhnt

Mit Scholz - er möchte bei einem Sieg Finanzminister bleiben - käme ein Mann zum Zug, der nach seiner Zeit als Jungsozialisten-Vizechef beständig Richtung Mitte gerückt ist. Als Generalsekretär der Partei unter Kanzler Gerhard Schröder musste er die umstrittenen Arbeitsmarkt- und Sozialreformen der Agenda 2010 verteidigen. Er tat es mit gedrechselten, dabei nichtssagenden Sätzen, die ihm den Spitznamen "Scholzomat" einbrachten. Erst mit dem Wechsel in die Landespolitik gewann er die Sympathien der Bürger. In Hamburg, wo die SPD traditionell den rechten Rand innerhalb der deutschen Sozialdemokratie bildet, wurde er für seine Akribie und Effektivität geschätzt.

Das Bewerber-Gegenstück zum gnadenlos pragmatischen Scholz bilden Gesine Schwan und Ralf Stegner, die ihr Antreten am Freitag öffentlich machten. Schwan sieht die auf unter 15 Prozent abgerutschten Sozialdemokraten in einer "existenziellen Krise". Diese könne nicht nur mit dem Austausch von Personal überwunden werden. Die frühere Präsidentin der Europa-Universität Viadrina an der deutsch-polnischen Grenze fordert, das Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft wiederherzustellen. Die repräsentative Demokratie müsse sich weiterentwickeln, die Kommunen sollten gestärkt werden - auch bei der Aufnahme von Asylwerbern. Gemeinden sollten entscheiden, ob sie aus dem Mittelmeer gerettete Personen aufnehmen. Schwans Credo: "Wenn der Eindruck entsteht, dass die Bürger keine Kontrolle über ihren Alltag haben, sind sie überfordert."

Stegner ließ offen, ob die SPD die schwarz-rote Bundesregierung verlassen soll. Falls sich CDU, CSU und SPD "bei Grundrente und dem sozialökologischen Umbau der Industriegesellschaft" einigen, plädiert der Partei-Vizechef für den Verbleib. Mitte der Legislaturperiode beurteilen die Koalitionspartner die bisherige Arbeit. Teilen der SPD gilt das als Chance, die bis 2021 angesetzte Regierung platzen zu lassen. Wenn auch Stegner so weit nicht geht, macht doch klar: "Nach dieser Legislaturperiode ist Schluss mit der großen Koalition."

"Ost-Erklärerin" bewirbt sich

Ebenfalls ins Kandidatenrennen sind am Freitag Petra Köpping und Boris Pistorius eingestiegen. Der niedersächsische Innenminister steht für eine konsequente Asylpolitik. Sachsens Integrationsministerin erlangte mit ihrem Buch "Integriert doch erst mal uns! Eine Streitschrift für den Osten" deutschlandweit Bekanntheit. Darin geht es um die tiefen Wunden durch die Wiedervereinigung, die neben Freiheit auch Massenarbeitslosigkeit und die Abwanderung vieler Junger und Qualifizierter - insbesondere von Frauen - gebracht hat.

Weitere Bewerbungen sind noch bis 1. September möglich.