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Die Uhr für den deutschen Klimakompromiss tickt

Von Alexander Dworzak

Politik

Kommenden Freitag will die deutsche Regierung ihre Maßnahmen präsentieren. Eine CO2-Steuer scheint vom Tisch.


Hektik herrscht nicht, doch große Betriebsamkeit dieser Tage in Berlin. Nicht einmal eine Woche haben die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD noch Zeit für eine Einigung auf die Klimaschutzziele. Am Freitag trafen sich die Spitzen der Koalitionspartner zu einer weiteren Verhandlungsrunde. Kommenden Freitag präsentiert dann die Regierung, wie Deutschland seine international vereinbarte CO2-Reduktion von 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 schaffen will. Das Problem: Derzeit sind erst 30 Prozent erreicht.

Große Anstrengungen stehen bevor, die mit enormen Kosten verbunden sind. Nichts zu tun, käme Deutschland allerdings auch teuer. Weil die CO2-Emissionen von Verkehr, Gebäuden und Landwirtschaft viel zu hoch sind, müssten ab 2021 Emissionsrechte von anderen EU-Ländern gekauft werden. Die Denkfabrik Agora Energiewende rechnet laut "Handelsblatt" mit Kosten von 30 bis 60 Milliarden Euro ab dem Jahr 2021 bis 2030.

Wie die Bürger entlasten?

Doch erst seitdem das Klima die Migration als wichtigestem Thema für die Bürger abgelöst hat, herrscht Konsens zwischen den Regierungspartnern, dass der Treibhausgas-Ausstoß bepreist werden soll. Zuvor stellte sich die konservative Union quer. Heute ist sich die Fraktion einig: "Preise müssen die Wahrheit sagen über das klimaschädliche CO2."

Über das Wie scheint nun Konsens zu herrschen. SPD-Umweltministerin Svenja Schulze weichte am Freitag ihre Forderung nach einer Steuer auf. Somit läuft alles auf das von CDU und CSU favorisierte Modell mit dem Verkauf von Rechten zum CO2-Ausstoß bei Kraftstoff, Gas und Heizöl hinaus. Großhändler erwerben die Rechte, deren Menge Jahr für Jahr verknappt wird. Damit steigt der Preis und - so das Kalkül - der Anreiz zur Vermeidung von Kohlendioxid.

Ob Steuer oder Zertifikatehandel: Sprit, Heizöl und Gas werden dadurch teurer. Die Koalitionspartner müssen für Entlastungen sorgen, und hier weichen die Vorstellungen von Union und SPD noch immer ab. Den Sozialdemokraten schwebt eine Pauschale vor, die höhere Fahrt- und Heizkosten auffangen soll. Die Union will die Strompreise per se senken, etwa, indem die Abgabe für die Förderung erneuerbarer Energien schrittweise reduziert wird. Davon würden nicht nur Privatpersonen profitieren, Nutznießer wäre auch die Industrie. Unternehmen will die SPD wiederum entlasten, indem die höheren Energiekosten erstattet werden.

Umgeschichtet soll auch bei den Steuern werden, um den Klimaschutz voranzutreiben. Als fix gilt, dass der Mehrwertsteuersatz für Bahntickets im Fernverkehr von 19 auf sieben Prozent fällt. Um den öffentlichen Nahverkehr anzukurbeln, schlagen die Sozialdemokraten ein 365-Euro-Ticket vor - also um einen Euro pro Tag, wie es vor einigen Jahren bei den Wiener Linien für Jahreskarten eingeführt wurde.

Grüne Konservative

Die KfZ-Steuer wollen CDU und CSU künftig am CO2-Ausstoß der Autos orientieren. Alle nicht-fossilen Kraftstoffe sollen gar komplett von der Steuer befreit werden. Insbesondere die CSU hat in den vergangenen Wochen mit Vorschlägen aufhorchen lassen, die mehr nach Grünen als Konservativen klingen. Verkehrsminister Andreas Scheuer schlägt hohe staatliche Zuschüsse für den Kauf von Elektroautos vor: bis zu 4000 Euro für Fahrzeuge, die weniger als 30.000 Euro kosten, für E-Taxis sogar bis zu 8000 Euro. Olaf Scholz, Finanzminister und Kandidat für den SPD-Vorsitz, will die E-Mobilität vorantreiben und eine Million Ladesäulen bis 2030 bereitstellen. Branchenkennern zufolge würde etwas mehr als ein Drittel der Zielmarke ausreichen. Einig sind sich jedoch alle, dass mit den derzeit knapp über 20.000 Ladepunkten kein Elektro-Staat zu machen ist.

Bei Flugtickets preschte CSU-Chef Markus Söder Ende August mit der Forderung vor, dass bei Reisen unter 50 Euro eine Strafsteuer zu zahlen ist. Die CDU legt nun nach, sie will die Ticketabgabe für alle Inlandsflüge - derzeit rund 7,40 Euro - verdoppeln und für die Kurzstreckenflüge im Inland unter 400 Kilometern verdreifachen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr warnt bereits eindringlich vor diesem Schritt. Immerhin scheint eine Kerosinsteuer, das Schreckensszenario der Industrie, fürs Erste abgewendet.

SPD gegen Klima-Anleihen

Wie viel die Förderungen und Steuererleichterungen schlussendlich kosten, haben die Koalitionäre noch nicht paktiert. Um Geld in die Kassen zu spülen, schlägt die CSU eine Klima-Anleihe vor, die mit zwei Prozent pro Jahr verzinst wird. Das stößt der SPD sauer auf: Der Vorschlag sei eine subventionierte Zinsrendite für Vermögende, finanziert durch die Allgemeinheit, sagt der Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Carsten Schneider. Und auch als verzweifelter Versuch, die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank zu korrigieren, ungeeignet. In der verbleibenden Woche werden die Koalitionspartner wohl auch diese Frage klären.