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Katalanen mit "wenig Chancen" vor Menschenrechtsgericht

Von Konstanze Walther

Politik

Menschenrechtsexperte glaubt, dass Straßburg die Urteile in Madrid als gerechtfertigte Eingriffe in die Rechte qualifizieren wird.


Madrid/Wien. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat am Dienstag klar Stellung bezogen: Er respektiere die Entscheidung der Justiz, von ihm dürfen sich die verurteilten katalanischen Ex-Politiker und Aktivisten keine Begnadigung erwarten.

Zur Erinnerung: Am Montag verurteilte der Oberste Gerichtshof neun Katalanen wegen Aufruhrs. Die Richter setzten zwischen neun und dreizehn Jahren Haft an (das spanische Strafgesetz sieht einen Rahmen von acht bis fünfzehn Jahren vor).

Für die einen sind es politische Strafen für Personen, die einfach nur ein Referendum über die Sezession abgehalten haben. Für die anderen sind es gerechtfertigte Strafen, da die öffentliche Ordnung und Sicherheit bedroht war.

Die Anwälte der Katalanen bereiten bereits den Gang zum spanischen Verfassungsgericht vor, um dort etwaige Verfahrensmängel geltend zu machen und so die Urteile aufheben zu können. Danach bleibt nur noch der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, der grundsätzlich Urteile sowie Gesetze der Mitgliedsstaaten grundsätzlich in Frage stellen kann.

Stefan Kieber, Jurist am Institut für Menschenrechte der Universität Salzburg, geht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" davon aus, dass sich die Katalanen bei ihrer Beschwerde in Straßburg jedenfalls den "Klassiker" anführen werden: Dass ihr Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden wäre (Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention). Des Weiteren könnten die Katalanen auch bemängeln, dass es nicht vorhersehbar gewesen sei, dass das Referendum als "Aufruhr" qualifiziert werde (Artikel 7: keine Strafe ohne Gesetz).

Auch könnte das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit (Artikel 10) oder das Recht auf Versammlungsfreiheit (Artikel 11) verletzt worden sein. Proteste, bei denen es zu Tumulten gekommen ist, die wiederum die Steilvorlage für den Straftatbestand des "Aufruhrs" gelegt haben.

Doch trotzdem rechnet Kieber den Katalanen keine großen Erfolgschancen in Straßburg aus. "Ein Eingriff in die Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit reicht dem Gericht in Straßburg nicht, um es als Verletzung der Rechte zu qualifizieren", erklärt Stefan Kieber, "denn der Eingriff kann auch gerechtfertigt sein: wie zum Beispiel durch die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, und der nationalen Sicherheit."

"Spaltung ist starker Grund"

Zudem ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte höchst zurückhaltend, wenn es sich um die inneren Angelegenheiten eines Staates handelt. "Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass der EGMR das Urteil kippt", so Kieber. Er kann sich auch vorstellen, dass das Gericht die Strafen für verhältnismäßig befindet. Denn die angedrohte Spaltung des Staates mit bürgerkriegsartigen Zuständen sei schon ein "sehr starker Grund", um bürgerkriegsartige Zustände zu verhindern, sagt Kieber.

Bei Protesten am Montagabend nach den Urteilen wurden am Flughafen von Barcelona mehr als hundert Menschen verletzt.