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Spanien: Einmal wieder von vorne anfangen

Von Konstanze Walther

Politik

Die Sozialisten müssen noch mehr Klinken polieren, um für eine Regierungsbildung eine Mehrheit zu finden.


Es waren Neuwahlen, die Pedro Sánchez von allen Parteichefs am wenigsten wollte. Sánchez hatte doch erst im April eines der besten Ergebnisse für die Sozialistische Partei Spaniens eingefahren und 123 Sitze im spanischen Parlament errungen.

Mit diesem Sonntag sind es drei weniger. Schmerzhaft, aber kaum der Rede wert, wenn man sich das schwache Ergebnis der anderen linken oder zentristischen Parteien ansieht. Zumal viele linksorientierte Wähler zuhause geblieben sind. Der PSOE ist noch immer mit Abstand auf dem ersten Platz. Der anderen überregionalen linken Partei, den Linkspopulisten von Unida Podemos, haben die Neuwahlen nicht gutgetan. Und das obwohl sie mehr als andere kausal dafür waren. UP verliert sieben Sitze. Drei davon wanderten an eine inzwischen neu gegründete Partei, "Mas Madrid", an der ein ehemaliger UP-Politiker beteiligt ist.

Massiv dazugewonnen haben an diesem Wahlsonntag in Spanien die rechtskonservative Volkspartei PP und Vox, die neuen Rechtspopulisten. Vox hat beinahe nur im Sog von Katalonien Werbung gemacht ("Hier reicht eine harte Hand allein nicht", erklärte Vox-Chef Santiago Abascal unlängst, mehr Katalanen müssten ins Gefängnis). Die Volkspartei fuhr eine ähnliche Linie in der katalanischen Frage, wenngleich weniger reißerisch in der Aufmache (Spanien ist eine Nation, man müsse Notstandsgesetze in der Region ausrufen, meinte PP-Chef Pablo Casado).

Der PP machte aber zusätzlich auf den wirtschaftlichen Abschwung aufmerksam (nur mit dem PP könne man eine Wirtschaftskrise verhindern - ebenfalls Casado).

PP und Vox mit klaren Ansagen

Für diese Ansagen wurden sie von den Wählern belohnt: Der PP gewann 22 Sitze dazu. Vox verdoppelte sich auf 52 Sitze und ist nun drittstärkste Kraft.

Großer Wahlverlierer waren die rechtsliberalen Ciudadanos. Sie waren für die gemäßigteren Wähler zu verbissen in der Katalonien-Frage, die auch das Wahlprogramm der Ciudadanos dominiert hat. Auch schienen die Ciudadanos mehr an Oppositionsarbeit als an der Regierungsverantwortung interessiert zu sein - anders als der PP. Und für diejenigen Wähler, die es gerne verbal aggressiver haben, gab es mit Vox nun eine neue Alternative, die sich im April noch nicht genug profiliert hatte.

Das Ergebnis: Die Ciudadanos fielen in schier Bodenlose. Von der noch drittstärksten Kraft im April rutschten sie an den sechsten Platz. Ciudadanos-Chef Albert Rivera zog die Konsequenzen und trat noch am Montag zurück.

Während sich rechts von der Mitte Dramen abspielten, blieb es in der linken Reichshälfte am Montag relativ ruhig. Denn eines war klar: Trotz der Zugewinne haben nicht einmal PP und Vox mit Ciudadanos die Absolute, um eine Regierung zu bilden. Und alle drei haben nicht genug Freunde im Parlament, die durch eine Stimmenenthaltung eine solche Koalition billigen würden.

Der Ball der Regierungsbildung bleibt damit weiterhin im Feld der Sozialisten.

Noch sieht es so aus, als würde Sánchez einen ähnlichen Weg verfolgen wie schon damals im April: eine sozialistische Minderheitsregierung. Nur eben diesmal mit drei Sitzen weniger. Damals hat es nicht geklappt. Doch heute weiß Sánchez, wissen es alle Parteien, dass das spanische Wahlvolk keine Lust auf nochmalige Neuwahlen hat. Das hat die gesunkene Wahlbeteiligung gezeigt. Das haben die Verluste bei jenen Parteien gezeigt, die man als Hauptverantwortliche für eine Blockade bei der Regierungsbildung sah.

Denn Sánchez wollte und will wieder alleine regieren. Das hat nicht nur etwas mit Sturheit zu tun, sondern auch mit Tradition. So hatte es der sozialistische Premier José Luis Zapatero 2004 und 2008 gemacht. So hatte es der konservative Premier Mariano Rajoy 2016 gemacht.

Das geht, wenn sich genug Parteien bei der Abstimmung über die Regierung der Stimme enthalten.

Für Sánchez ist es schwieriger als für die vorher Genannten: Die spanische Parteienlandschaft ist in den vergangenen Jahren enorm angewachsen. Und der Katalonien-Konflikt hat seinen Weg als große Unbekannte in die nationale Politik gefunden. Einerseits haben die katalanischen Parteien Sánchez geholfen, an die Macht zu kommen, als sie mit ihm in einem Misstrauensvotum die konservative Regierung 2018 gestürzt hatten. Aber einen Regierungspakt darf Sánchez nicht mit ihnen eingehen, das würden ihm viele Spanier übel nehmen. In der Katalonien-Frage versucht Sánchez übrigens, so wenig wie möglich Stellung zu beziehen: Die Richter haben ihre Urteile gefällt, und da wolle er nicht eingreifen. Eine neuerliche Zwangsverwaltung der Region schliße er nicht aus, aber das sei nicht spruchreif.