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Bayerns Innenminister hat genug von Personaldiskussionen

Von Alexander Dworzak

Politik

Vor dem CDU-Parteitag steht Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer in der Kritik. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) stellt sich hinter die Chefin der Schwesterpartei.


Frieden ist in die konservative Union von CDU und CSU eingekehrt, nachdem 2018 die Fraktionsgemeinschaft vor dem Ende stand. Dafür rumort es in der CDU, Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer steht nach Fehltritten in der Kritik - die beim Parteitag ab Freitag auch zu hören sein wird. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) stellt sich hinter die Vorsitzende der Schwesterpartei.

"Wiener Zeitung": Ist Annegret Kramp-Karrenbauer die richtige Vorsitzende für die CDU?
Joachim Herrmann: Sie ist 2018 mit knapper, aber klarer Mehrheit gewählt worden (damals waren es knapp 52 Prozent, Anm.). Die Spitzen von CDU und CSU haben eine sehr gute Zusammenarbeit. Es wäre klug, wenn wir nicht ständig Personaldiskussionen führen. Wir in Bayern haben das in den vergangenen zwölf Monaten so gehandhabt. Die CDU sollte das genauso machen. Die Bürger wollen, dass wir uns um ihre Anliegen kümmern. Wenn sie den Eindruck haben, eine Partei ist in erster Linie mit Personalfragen beschäftigt, fühlen sich die meisten mit ihren Problemen nicht im Mittelpunkt des Geschehens.

Welche Rolle soll der 2018 unterlegene Friedrich Merz, den beispielsweise die Junge Union weiter forciert, künftig spielen?
Ich mische mich nicht in Personalfragen der Schwesterpartei ein.

Die Junge Union fordert auch eine Abstimmung durch die Mitglieder, wer Kanzlerkandidat von CDU/CSU wird. Die CSU lehnt die Idee ab. Welches Prozedere schlagen Sie vor?
Es kann nicht eine der beiden Parteien allein bestimmen, wer Kanzlerkandidat ist. Seit 1949 wird das in gemeinsamen Besprechungen von CDU und CSU beschlossen.

Das heißt, die Spitzen von CDU und CSU sollen es sich ausmachen. Angenommen, der reguläre Wahltermin im Herbst 2021 hält. Wann soll die Entscheidung fallen?
Darüber reden wir intern.

CSU-Vize Manfred Weber wirbt für Schwarz-Grün ab der nächsten Legislaturperiode. In Österreich sind das ebenfalls Modefarben, Koalitionsverhandlungen finden statt. Ist Schwarz-Grün auch Ihre bevorzugte Koalitionsvariante in Deutschland?
Ich halte nichts von Koalitionsspekulationen, erst recht nicht in Anbetracht des Parteitags der Grünen in der vergangenen Woche. Dort sind sehr viele linke Beschlüsse gefällt worden, die geeigneter für eine Koalition mit der SPD oder der Linkspartei sind.

Angesichts der drohenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag - die SPD will wohl nicht mehr mit CDU/CSU koalieren, die Union will nicht mit AfD und Linkspartei - werden Sie schwer um die Grünen herumkommen.
Wir müssen weniger über Koalitionen nachdenken als an der Stärke von CDU und CSU arbeiten. Ich gehe davon aus, dass die jetzige Regierung weiter Bestand hat und zum regulären Termin 2021 gewählt wird.

In welchen Bereichen wollen Sie Stärke zeigen?
Mir liegt natürlich innere Sicherheit besonders am Herzen. Wir müssen uns aber auch stärker um die äußere Sicherheit kümmern, bei der Bundeswehr personell aufstocken und die Ausstattung verbessern. Wir stehen wirtschafts- und umweltpolitisch vor riesigen Herausforderungen, vor allem beim Umbau der deutschen Autoindustrie. Dabei dürfen wir unsere Spitzenstellung nicht verlieren und müssen gleichzeitig Klimamaßnahmen umsetzen.

Die CSU hat in den vergangenen Monaten Klimaschutzthemen ventiliert, unter anderem den Ausstieg aus der Kohlekraft 2030. Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer pocht auf den vereinbarten Termin 2038. Fördert der Grün-Kurs der CSU nicht eine West-Ost-Kluft in der Union?
Das bayerische Kabinett hat diese Woche einen Klima-Gesetzesentwurf beschlossen. Bei uns gibt es noch vier Kohlekraftwerke. Ich bin zuversichtlich, dass diese Ära bis zum Jahr 2030 beendet sein wird. Wie andere Bundesländer damit umgehen, muss man sehen.

Ihr Ministerpräsident Markus Söder hat gesagt, im Osten könne die Union Wahlen verlieren, im Westen werden sie gewonnen. Im Osten gibt es andere Mehrheitsverhältnisse mit der Stärke von AfD und Linkspartei, aber auch andere inhaltliche Prioritäten. Wie schafft die Union diesen Spagat?
Die AfD hat dort einen bedauerlich hohen Zuspruch, in Bayern hat sie ihren Zenit überschritten. Wir führen eine harte Auseinandersetzung mit den völlig indiskutablen politischen Vorstellungen der AfD. Es geht aber nicht darum, deren Wähler zu beschimpfen. Immer mehr Menschen sehen, die AfD kann man als überzeugter Demokrat nicht wählen.
Es wird wichtig sein, dass die Regierungen im Osten, etwa die neue rot-schwarz-grüne Koalition in Brandenburg, Themen setzen. Die Union muss auch klarmachen, dass die indiskutablen Positionen einiger Personen in der AfD, insbesondere von Björn Höcke, keine Grundlage für Politik in unserem Land sein kann. CDU-Politiker dürfen dann aber auch nicht eine Zusammenarbeit mit der AfD ins Spiel bringen. Keine Koalition mit AfD oder Linkspartei. Was vor der Wahl angekündigt wird, muss auch nach der Wahl gelten.

In Thüringen haben AfD und Linke bei der Wahl im Oktober mehr als 50 Prozent erreicht. Soll die dortige CDU eine Minderheitsregierung des linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zumindest tolerieren?
Ramelow sagt, er hat die Wahl gewonnen und damit den Regierungsauftrag. Warten wir ab, welche Vorstellungen er hat.

Er kann die Arithmetik aber nicht außer Kraft setzen.
Wie Ramelow das macht, muss nicht die Union erklären.

Zur Person: Joachim
Herrmann ist seit 1994 Mitglied des Bayerischen Landtags. Er amtiert seit 2007 als Innenminister des Freistaats und ist auch Mitglied des CSU-Präsidiums.