Die Botschaft an das neue Führungsduo der deutschen SPD war deutlich - und sie kam aus der eigenen Partei. "Nach allen Umfragen würde ein Ausstieg aus der Koalition bei den Bürgerinnen und Bürgern auf wenig Verständnis stoßen", sagte am Montag Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil dem "Handelsblatt". Und auch der Vorsitzende der baden-württembergischen SPD-Landesgruppe im Bundestag, Martin Rosemann, warnte: "Die Forderung nach Nachverhandlungen des Koalitionsvertrags halte ich für ebenso unnötig wie gefährlich."

Das ist aber genau die Agenda, wegen der die Parteimitglieder der Sozialdemokratie die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken und den früheren Finanzminister von Nordrhein-Westfalen Norbert Walter-Borjans zu ihren neuen Parteivorsitzenden gewählt haben. 114.995 Stimmen, das sind 53 Prozent, konnten am Wochenende diese beiden Kandidaten für sich vereinen. Für Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz, der gemeinsam mit Klara Geywitz, einer früheren Landtagsabgeordneten aus Brandenburg, angetreten war, votierten in der Stichwahl nur 98.246 Mitglieder, das waren 45 Prozent der abgegeben Stimmen. Fast die Hälfte der 425.300 stimmberechtigten SPD-Mitglieder verzichtete auf eine Teilnahme am Votum.

Die Jusos jubeln:
"Am Nikolaus ist GroKo-Aus"

Der Ausgang dieser Wahl spiegelt den Wunsch nach einem Richtungswechsel wider: für neue Kräfte und gegen das Establishment. Für einen Linksruck und gegen einen Kurs der Mitte. Und vor allem war es auch ein Misstrauensantrag gegen die amtierende große Koalition mit der CDU/CSU.

Im monatelangen parteiinternen Wahlkampf waren Esken und Walter-Borjans als scharfe Kritiker der Regierung aufgetreten. "Für die Demokratie ist die große Koalition Mist", verkündete Esken kurz nach ihrer Wahl in einem Gespräch mit der ARD. Beide Großparteien würden Stimmen verlieren und müssten schmerzhafte Kompromisse eingehen.

Zudem war der Königsmacher für das neue Führungsduo der prononcierteste GroKo-Gegner innerhalb der SPD, nämlich Kevin Kühnert. Der Vorsitzende der Jungsozialisten (Jusos) hatte diese hinter Esken und Walter-Borjans geschart. "Am Nikolaus ist GroKo-Aus", skandierten freudentrunkene Jusos auch nach der Wahl. Am 6. Dezember startet der Parteitag der Sozialdemokraten.

Doch so einfach ist die Angelegenheit nicht. Der Erfolg von Esken und Walter-Borjans war knapp und spiegelt auch wider, wie zerrissen die SPD ist. Und am Montag brachten sich nach einem kurzen Schock die GroKo-Befürworter wieder in Stellung - zu denen etwa auch der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, zählte. Er sprach aus, was wohl Meinung und künftige Linie mancher amtierender Minister und von Bundestagsabgeordneten, die bei Neuwahlen um ihr Mandat fürchten müssen, sein wird. Demnach würde ein Aufkündigen der Koalition gerade erst mühsam errungene Erfolge der SPD gefährden. Er könne sich etwa nicht vorstellen, dass die Mitglieder der SPD "die Grundrente aufs Spiel setzen werden", sagte Kahrs. Diese Form der Mindestpension ist zwar beschlossen, muss nun aber erst in den nächsten Monaten umgesetzt werden. Zudem würde die Union für jede SPD-Forderung eine Gegenleistung verlangen, warnte Kahrs.