Boris Johnson war noch nie ein Mann der Zurückhaltung. Man kennt das schon: Ein Premier, der einem Journalisten das Handy wegnimmt, um keine unangenehmen Fotos sehen zu müssen, ein Außenminister, der sich bei Auslandsbesuchen regelmäßig blamiert, der in Myanmar ein rassistisches Gedicht rezitiert und beim Rugby-Spielen in Japan einen Zehnjährigen zu Boden wirft. Damals hatte Johnson noch behauptet, eher als Olive wiedergeboren als Premier zu werden.

Doch sein unkonventionelles Verhalten, all die Lügen, die Tricksereien und Sprünge ins Fettnäpfchen haben Johnson nicht geschadet, im Gegenteil: Bei den Wahlen am Donnerstag konnten seine konservativen Tories die absolute Mehrheit zurückerobern. Mit 365 Mandaten verzeichnen sie ein Plus von 48 Sitzen, es ist das beste Ergebnis seit 1987. Für die oppositionelle Labour Party (203 Sitze, minus 59) ist es die schlimmste Wahlniederlage seit 1935. Noch vor zwei Jahren feierte eine linke Massenbewegung Jeremy Corbyn als großen Hoffnungsträger, junge Menschen liefen Labour in Scharen zu. Heute ist der Parteichef Geschichte.
Labour muss aus der Niederlage schmerzhafte Lehren ziehen: Die Linkswende nach dem wirtschaftsliberalen "Dritten Weg" der Blair-Jahre hat nicht funktioniert, Corbyn hat zu sehr polarisiert. Viele meinen, dass Labour die Wahlen mit einem anderen Kandidaten gewonnen hätte. Am Ende war es wohl der wirre Brexit-Kurs, der Corbyn zu Fall brachte: Für Remainer boten andere Parteien attraktivere Lösungen. Und von den traditionellen Labour-Wählern blieben viele daheim, verschenkten ihre Stimme an die Brexit Party oder wählten gar die Tories.
Radikaler Umbau der Tories
Die Schwächen seiner Gegner haben Johnson geholfen. Ausschlaggebend dürften aber seine klaren Botschaften gewesen sein - und die Unterstützung vieler Medien, die diese oftmals unhinterfragt verbreiteten. Zahlreiche Unwahrheiten kamen so, tausendfach geteilt in den Sozialen Medien, unters Volk. Die Tories würden das Land rasch von der EU lösen, 40.000 zusätzliche Krankenpflegerinnen einstellen, 50 neue Spitäler bauen - dass es sich dabei um falsche Behauptungen handelte, war offenbar zweitrangig.
Im Gegensatz zum schlingernden Corbyn zog Johnson seine riskante Strategie beinhart durch. "Get Brexit done", den EU-Austritt endlich durchziehen, wurde, hundertfach wiederholt, zum Mantra im Wahlkampf. Nach drei Jahren der Streitereien und Unklarheiten wünschten sich viele Briten genau das: ein Ende mit Schrecken.
Weil die Konservativen nach den Wahlen von 2017 keine absolute Mehrheit hatten, strebte Johnson von Anfang an Neuwahlen an - und begann gleichzeitig mit dem Umbau der Partei. Kaum Premier, warf er mehr als 20 Tory-Rebellen aus der Fraktion. Johnson legte sich mit dem Unterhaus an und mit dem Höchsten Gericht, er tat, was zuvor kaum jemand für möglich gehalten hatte - und spannte, als er sie das Parlament rechtswidrig auflösen ließ, sogar die Queen für seine Zwecke ein.