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Temelin könnte erneut Beziehungen verdunkeln

Von Klaus Huhold

Politik

In Tschechien wird gerätselt, was die grüne Regierungsbeteiligung für die Atomkraftdebatte bedeutet. Kanzler Kurz trifft in Prag Premier Babis.


Auf den großen Krach folgte der Pragmatismus. Nachdem der Widerstand gegen Temelin in Österreich einst gar für Grenzblockaden gesorgt hatte, ist es in den vergangenen Jahren eher ruhig um das tschechische Atomkraftwerk geworden. Bei bilateralen Treffen versuchten die Politiker aus Tschechien und Österreich zumeist, dem Thema nicht allzu viel Raum zu geben. Sie betonten zwar, dass sie bezüglich der Atomkraft verschiedener Ansicht seien, sprachen dann aber lieber über gemeinsame Infrastrukturprojekte oder die regen wirtschaftlichen Beziehungen.

Fraglich ist jedoch, ob das so bleibt. Am Donnerstag absolviert Bundeskanzler Sebastian Kurz nach seiner Teilnahme am Gipfel der Visegrad-Staaten (Tschechien, Polen, Slowakei und Ungarn) auch noch ein bilaterales Treffen mit Tschechiens Premier Andrej Babis. Temelin wird dabei Thema sein - und die Zusammenkunft wird erste Auskunft darüber geben, wie diese Debatte weiter verlaufen wird.

Türkis-Grün will Ausbau von Atommeilern verhindern

Kurz führt nun schließlich eine Regierung mit den Grünen an - und in Tschechien wurde die Koalition der ÖVP mit der Ökopartei auch unter dem Aspekt diskutiert, inwieweit künftig der Streit um Atomkraft die Beziehungen belasten würde.

Allzu verunsichert zeigten sich dabei einige tschechische Kommentatoren nicht. Zum Ablehnen der Nuklearenergie "braucht Österreich die Grünen nicht", schrieb etwa die Tageszeitung "Lidove noviny". Es sei vielmehr nationaler Konsens, auch die FPÖ habe immer wieder gegen das AKW Temelin mobilisiert.

Trotzdem könnte das Thema wieder virulent werden: Denn die Energiepolitik ist nicht zuletzt wegen der Klimadebatte stärker in den Fokus der internationalen Aufmerksamkeit gerückt - wovon die Diskussionen zwischen Prag und Wien nicht unberührt bleiben dürften. Zudem plant das Kabinett von Babis, die beiden in der Nähe zur österreichischen Grenze gelegenen Atomkraftwerke Temelin und Dukovany auszubauen. Den Anteil der Nuklearenergie am Strom-Mix will Tschechien bis 2040 auf die Hälfte erhöhen.

Genau gegen solche Pläne wendet sich das Regierungsprogramm von Türkis-Grün. Darin kündigen die österreichischen Koalitionspartner an, "dem Neu- und Ausbau von Atomkraftwerken in Europa, insbesondere in den Nachbarländern, mit allen zur Verfügung stehenden politischen und rechtlichen Mitteln entgegenzuwirken".

Welche Möglichkeiten dabei auf europäischer Ebene zur Verfügung stehen, hat die Vergangenheit zum Teil schon gezeigt: So hat das Land Oberösterreich erst im September vergangenen Jahres, basierend auf einem Rechtsgutachten, eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt, will Tschechien die bis Ende 2020 genehmigte Laufzeit von Temelin verlängern. Auf der Ebene des Beihilfen- oder Wettbewerbsrecht könnte Österreich gegen staatliche Förderungen für den Ausbau von Atomkraft vorgehen - einen ähnlichen Schritt hatte schon die rot-schwarze Regierung im Jahr 2015 gegen das geplante britische AKW Hinkley Point C gesetzt. Das diesbezügliche Verfahren läuft noch.

Genau das Gegenteil versucht derzeit Tschechien. Prag will, dass die Atomkraft in der EU als saubere Energieform anerkannt wird - was das Tor für Subventionen öffnen würde. Auch andere Länder wie Frankreich wollen weiter auf Atomstrom setzen. Gegen eine derartige Einstufung der Nuklearenergie wehrt sich Österreich und steht dabei gemeinsam mit Deutschland auf einer Seite.

Bilaterales Verhältnis läuft sonst gut

Der tschechisch-österreichische Atomstreit wird wohl auf europäischer Ebene entschieden werden. Bilateral werden sich Prag und Wien nämlich nicht einigen, dafür ist allein schon die Stimmung in den beiden Ländern viel zu konträr. Während in Österreich vor allem die grenznahen AKW große Sorgen auslösen, zeigen Umfragen, dass die überwiegende Mehrheit der Tschechen kaum oder gar keine Angst vor der Atomkraft hat. Vielmehr sehen diese viele Tschechen als nationales Projekt an, das sie unterstützen - und die Kritik aus Österreich bestärkt gewöhnlich diese Haltung.

Verschieben die beiden Länder ihre Atomdebatte großteils auf die europäische Ebene, würden sie auch dafür sorgen, dass dieser Konflikt die bilateralen Beziehungen nicht zu sehr belastet. Denn die laufen sonst gut, was etwa ein Blick auf die wirtschaftlichen Daten zeigt: So ist Tschechien laut der Wirtschaftskammer innerhalb der EU für Österreich der fünftwichtigste Export- und der drittwichtigste Importpartner.