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Erstmals Reichsbürger-Gruppe in Deutschland verboten

Von WZ Online

Politik

Hausdurchsuchungen fanden in den frühen Morgenstunden statt. Im Jänner hatte Seehofer die Neonazi-Gruppe "Combat 18" verboten.


Deutschlandweit hat der deutsche Innenministerster Horst Seehofer (CSU)  erstmals eine Reichsbürger-Gruppierung verboten. Polizeibeamte durchsuchten am Donnerstag in den frühen Morgenstunden die Wohnungen führender Mitglieder des Vereins "Geeinte deutsche Völker und Stämme" und seiner Teilorganisation "Osnabrücker Landmark" in zehn Bundesländern.

"Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus werden auch in Krisenzeiten unerbittlich bekämpft", schrieb der Sprecher des Ministeriums, Steve Alter, bei Twitter.

Intoleranz gegenüber Demokratie

Die Mitglieder des Vereins "bringen durch Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus ihre Intoleranz gegenüber der Demokratie deutlich zum Ausdruck", hieß es aus dem Bundesinnenministerium. In den vergangenen Jahren sei die Gruppierung unter anderem durch "verbalaggressive Schreiben" aufgefallen. Darin sei den Adressaten "Inhaftierung" und "Sippenhaft" angedroht worden. Das "Höchste Gericht" der Gruppe drohte Regierungsmitgliedern mit Klagen wegen der "Zersetzung hoheitlicher Staatlichkeit".

Sogenannte "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" sprechen der Bundesrepublik Deutschland die Legitimität ab. Einige dieser Gruppierungen berufen sich auf ein selbst definiertes "Naturrecht", andere auf das historische Deutsche Reich (1871-1945). Viele unter ihnen behaupten, die Bundesrepublik sei in Wirklichkeit kein Staat, sondern ein Unternehmen. Sie erkennen Gesetze und Behörden nicht an und wehren sich teilweise gewaltsam gegen staatliche Maßnahmen.

Rund  19.000 Mitglieder

In ganz Deutschland soll es nach Angaben des Verfassungsschutzes (Inlandsgeheimdienst) rund 19.000 Mitglieder dieser Szene geben. Deren Mitglieder gelten als waffenaffin.Schwerpunkt der Aktionen der Kleingruppe "Geeinte deutsche Völker und Stämme" war zuletzt Berlin. So versuchte beispielsweise 2017 eine Handvoll Anhänger, das Rathaus im Bezirk Zehlendorf zu "übernehmen". Im Brustton der Überzeugung verlangten sie die Herausgabe eines Schlüssels, bevor die Polizei schließlich die Aktion beendete.Nach Angaben der Polizei setzten sich ihre Mitglieder zudem mit Vehemenz und Drohungen für eine vorzeitige Haftentlassung des wegen Volksverhetzung verurteilten todkranken Holocaust-Leugners Horst Mahler (84) ein. Im vergangenen September hatten Polizeibeamte in drei Bundesländern insgesamt vier Durchsuchungsbeschlüsse gegen Mitglieder der Gruppe vollstreckt.Heike W., die das bekannteste Gesicht der Gruppe ist, rechnet sich selbst nicht der Reichsbürger-Szene zu. Sie verbreitet ihre Theorien unter anderem auf der Website der Gruppe und auf Youtube. Heike W. beruft sich auf "die germanischen Erstbesiedlungsrechte". Ihre Anhänger animiert sie, ihre Personalausweise zurückzugeben und sich "lebend zu erklären". Die Gruppierung hat nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden einige Dutzend Mitglieder. Sie hatte Drohbriefe an mehrere Politiker verschickt, darunter auch Landesjustizminister.

Seehofer hatte im vergangenen Jahr mehrere Verbotsverfügungen angekündigt. Ende Jänner hatte er dann die rechtsextreme Gruppe "Combat 18" verboten. Der Name der Vereinigung gilt als Codewort für "Kampftruppe Adolf Hitler". Mehrere mutmaßliche Mitglieder der Gruppe haben gegen das Verbot gemeinsam Klage eingereicht.

Opposition fordert härtere Gangart

Nach dem Verbot von Reichsbürger-Gruppen durch Bundesinnenmnister Horst Seehofer (CSU) fordern die Grünen eine härtere Gangart gegenüber der gesamten Organisation. "Das Verbot von 'Geeinte deutsche Völker und Stämme' zeigt erneut, dass die Reichsbürger endlich konsequent als rechtsextrem eingestuft werden müssen", sagte die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. "Momentan passiert das noch nicht und das führt zu analytischen Verzerrungen.""Vielleicht hängt es mit der Sorge zusammen, dass man dann schlagartig über 40.000 Rechtsextreme zählt, aber wir dürfen die Augen vor der Realität nicht länger verschließen", fügte Mihalic hinzu. (apa, dpa, afp)

Unter den sogenannten Reichsbürgern in Deutschland haben laut einem Zeitungsbericht mindestens rund 530 die Erlaubnis zum Waffenbesitz. Das teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz auf Anfrage der Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstagsausgaben) mit. Im Juni 2019 hatte der Verfassungsschutz hingegen noch 490 Mitglieder der Szene als "Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse" erfasst.