Viktor Orban hatte eine klare Botschaft parat. "Wenn ihr uns schon nicht helfen könnt, dann unterlasst es wenigstens, uns an unseren Verteidigungsmaßnahmen zu hindern", richtete der ungarische Ministerpräsident seinen Kritikern aus. Diese wiederum halten ihre Einwände an den geplanten Notstandsregelungen aufrecht, die am Montag im Parlament in Budapest erneut zur Debatte standen und anders als in der Vorwoche diesmal auch angenommen wurden.
Der Europarat, die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), Menschenrechtsorganisationen im In- und Ausland sowie Ungarns Oppositionspolitiker zeigen sich besorgt über das Gesetz, das es dem nationalkonservativen Kabinett ermöglicht, per Dekret zu regieren und die Möglichkeiten des Abgeordnetenhauses einschränkt. Im EU-Parlament ist aus den Reihen der Sozialdemokraten und der Grünen von einem "autoritären Griff nach der Macht" und von einem "Corona-Putsch" die Rede.
"Außergewöhnliche Maßnahmen"
Mit dem Hinweis auf die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie nämlich will die regierende Partei Fidesz ihre erweiterten Befugnisse auf unbestimmte Zeit behalten. Ansonsten müssten diese nach 15 Tagen bestätigt werden, um weiterlaufen zu können. Nun sollen sie für die gesamte Dauer der "Gefahrensituation", wie der Notstand in Ungarn heißt, in Kraft bleiben. Per Dekret wurde die "Gefahrensituation" bereits Mitte März ausgerufen.
Die Verordnung ermächtigt die Regierung, mittels Dekret bestimmte Gesetze auszusetzen oder teilweise aufzuheben sowie "andere außergewöhnliche Maßnahmen" zu ergreifen. Über die Schritte informiert das Kabinett das Parlament – oder dessen Sprecher, falls die Mandatare nicht tagen können. So lange der Notstand verhängt ist, dürfen keine Wahlen oder Volksabstimmungen abgehalten werden.
Den Vorwurf, dass das Abgeordnetenhaus ausgeschaltet werde, weisen Regierungspolitiker zurück. Die Volksvertretung dürfe die Regelung jederzeit widerrufen. Tatsächlich ist in der englischen Übersetzung des Gesetzestextes zu lesen: "Die Nationalversammlung darf die Ermächtigung ( ) vor dem Ende der Gefahrensituation entziehen." Allerdings verfügt dort Fidesz über eine Zwei-Drittel-Mehrheit, mit der das Gesetz am Montag dann angenommen wurde.
Gefängnis für Falschnachrichten
Unmut lösen ebenfalls die geplanten Änderungen im Strafgesetzbuch aus. Denn für die Nicht-Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen oder für die Verbreitung von Falschnachrichten sind hohe Strafen bis hin zu Gefängnis vorgesehen. Wer sich etwa an die Vorgaben zur Isolation oder Quarantäne nicht hält, riskiert Haftstrafen bis zu drei Jahren. Wenn es sich um eine Gruppe handelt, dann können es bis zu fünf Jahren Gefängnis sein. Das droht auch Personen, die während des Notstands "vor einem großen Publikum" falsche Nachrichten verbreiten, die "die Effizienz der Schutzmaßnahmen" mindern oder unterbinden könnten.
Befürchtungen, dass dies die Medienfreiheit unterminieren könnte, lässt die Regierung nicht gelten. Außerdem verweist sie auf das Beispiel anderer Länder, die ebenfalls schon Strafkataloge erarbeitet haben.
Ein Blick auf solch eine Liste, die etwa Nordrhein-Westfalen erstellt hat, zeigt: Öffentliche Ansammlungen mit mehr als zehn Personen können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden. Doch das Thema der Nachrichtenverbreitung lässt der Katalog aus.