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Wiederaufbau als Zerreißprobe

Von Martyna Czarnowska

Politik
Weiter gefasst als bisher müsse das EU-Budget sein, meint die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen.
© reuters/Olivier Hoslet

Die Finanzierung eines neuen Geldtopfes zur Überwindung der Corona-Krise ist unter den EU-Staaten heftig umstritten.


Zu wenig, zu spät? Kaum haben die EU-Staats- und Regierungschefs Corona-Finanzhilfen im Umfang von einer guten halben Billion Euro gebilligt, kam gleich tags darauf Kritik am Ergebnis der Videokonferenz am Donnerstag. Denn tatsächlich haben sich die Spitzenpolitiker lediglich darauf geeinigt, ein schon von den Finanzministern zuvor vereinbartes Programm gutzuheißen. Dieses umfasst Kreditzusagen des Euro-Rettungsschirms ESM, Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) und eine europäische Förderung von Kurzarbeit. Das Paket mit einem Volumen von 540 Milliarden Euro soll ab 1. Juni bereitstehen.

Allerdings hätte sich so manches Land mehr gewünscht - auch wenn die Forderung nach Corona-Bonds, also der Ausgabe gemeinsamer Schuldtitel, fürs Erste unerfüllbar scheint. Die Rufe danach, die aus Italien, Spanien, aber auch Frankreich kommen, kontern Berlin, Wien und Den Haag mit einem klaren Nein.

Die Frage, wie der ökonomische Wiederaufbau Europas nach der Corona-Krise finanziert werden soll und ob den Staaten dafür neben Krediten auch direkte Zuschüsse gewährt werden sollen, bleibt freilich weiter aktuell. Die EU-Kommission soll zunächst einmal den Bedarf analysieren, lautet der Auftrag der Regierungen. In dem Vorschlag der Behörde, der Anfang Mai vorliegen könnte, sollte "die Verknüpfung mit dem mehrjährigen Finanzrahmen präzisiert werden", heißt es in dem Schlussdokument der Gipfelkonferenz.

Ruf nach höherem EU-Haushalt

Das bedeutet, dass die Debatte immer stärker um den EU-Haushalt kreist, dessen Eckpunkte noch abzustecken sind. Die Verhandlungen über die gemeinsamen Ausgaben für die Jahre 2021 bis 2027 stehen noch an ihrem Anfang, und wie alle anderen Budgetgespräche werden sie noch für viel Zank zwischen den EU-Institutionen und den Mitgliedstaaten untereinander sorgen. Außerdem weisen einige Ökonomen darauf hin, dass es zu lange dauern könnte, bis Hilfen über den EU-Haushalt anlaufen würden.

Eines ist trotzdem allen klar: Der bisherige Budgetentwurf wird angepasst werden müssen. Er sieht Ausgaben im Umfang von rund einer Billion Euro vor, wobei die größten Posten Förderungen für Infrastruktur sowie Landwirtschaft ausmachen. Bloß: Jetzt kommt ein geplanter Wiederaufbaufonds hinzu, der wohl teilweise ebenfalls mit Geld aus dem EU-Haushalt gespeist werden soll. Auch wenn die Details zu Finanzierung und Summe noch offen sind - allein dieser Topf wird kaum ein geringeres Volumen als eine Billion Euro haben dürfen. Manchen schwebt gar ein Umfang von zwei Billionen Euro vor.

Daher plädierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine Anhebung der Ausgabenobergrenze, die sich derzeit bei einem Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung bewegt - und die Nettozahlerstaaten wie Österreich bisher auch nicht erhöht sehen wollten. Dieser Anteil wird aus Sicht der Kommission aber nicht reichen. Nach deren Schätzungen sei davon auszugehen, dass "für die nächsten zwei, drei Jahre" Mittel in Höhe von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung nötig seien, sagte von der Leyen.

Umfehdete Zuschüsse

Zumindest Deutschland hat sich schon bereit erklärt, höhere Beiträge zu zahlen - über einen "begrenzten Zeitraum", wie Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Rede im Bundestag festhielt. Ihr österreichischer Amtskollege Sebastian Kurz hingegen ließ eine entsprechende Frage der Austria Presseagentur offen.

Die Kommission verlangt aber nach einem größeren Spielraum im gemeinsamen Budget, um den Wiederaufbaufonds mit Geld auszustatten. Außerdem sollen rechtliche Garantien der Mitgliedstaaten es ermöglichen, zusätzliche Mittel am Kapitalmarkt zu lukrieren, skizzierte von der Leyen. Dabei müsse die "richtige Balance zwischen Zuschüssen und Krediten" gefunden werden.

Das aber birgt wieder Streitpotenzial. Denn während besonders von der Coronavirus-Pandemie getroffene Länder wie Italien und Spanien auf Zuschüssen bestehen, sind andere für eine Rückzahlung des Geldes. Dabei wären direkte Zahlungen kein Novum, da darauf auch die Infrastruktur-Förderungen basieren. Neu wäre hingegen, dass das Geld aus Krediten statt aus Mitgliedsbeiträgen käme.