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In Frankreich wächst der Unmut

Politik

Unruhen in Vororten von Paris und Straßburg. Parlament beschließt Notfallhilfen.


Frankreich wird von der Corona-Krise heftig gebeutelt - jetzt hat die Regierung beschlossen, finanziell massiv gegenzusteuern. So hat das französische Parlament ein Hilfspaket mit der unglaublichen Summe von 110 Milliarden Euro beschlossen. Ein entsprechender "Notfallsplan" wurde von der Nationalversammlung und vom Senat gebilligt. Er soll die "wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise" lindern, wie es in dem aktualisierten Budget für das heurige Jahr heißt.

Alleine 24 Milliarden Euro sind für die Finanzierung von Kurzarbeit vorgesehen. In Frankreich sind nach Angaben der Regierung derzeit mehr als zehn Millionen Menschen in Kurzarbeit - das entspricht jedem zweiten Beschäftigten in der Privatwirtschaft. In dem Land erhalten Kurzarbeiter 84 Prozent ihres Nettogehalts. Die Kosten trägt überwiegend der Staat.

Enorme Neuverschuldung

Weitere 20 Milliarden Euro sind als Kapitalspritze für strategisch wichtige Sektoren vorgesehen, etwa für die Luftfahrtgesellschaft Air France und den Autohersteller Renault. Mit sieben Milliarden Euro sollen Kleinstunternehmen und Selbständige unterstützt werden. Weitere Zuschüsse sind etwa für einkommensschwache und kinderreiche Familien geplant.

Nach dem neuen Haushaltsplan dürfte das französische Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um acht Prozent schrumpfen - das ist mit Abstand der höchste Wert seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Neuverschuldung wird auf 9,1 Prozent geschätzt, die Gesamtschulden des Staates dürften auf 115 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen.

Unterdessen sieht sich Frankreichs Innenminister Christophe Castaner mit massiven Ausschreitungen in den Pariser Vorstädten konfrontiert. Dort befinden sich traditionell Frankreichs soziale Brennpunkte, die Arbeitslosigkeit ist schon unter normalen Bedingungen überdurchschnittlich hoch. Seit mehreren Nächten kommt es vor allem in den Banlieus der Ile-de-France zu Zusammenstößen zwischen Polizisten und Bewohnern, zuletzt wurden 13 Personen festgenommen.

Die Ausschreitungen hatten begonnen, nachdem in Villeneuve-la-Garenne nördlich von Paris ein Motorradfahrer schwer am Bein verletzt worden war, als er mit seinem Motorrad in ein Polizeiauto gefahren war. Der Mann warf den Polizisten vor, absichtlich
die Tür ihres Fahrzeugs geöffnet zu haben, um ihn zu Fall zu bringen.

Brandsatz gegen Polizei

Die Unruhen beschränken sich nicht mehr nur auf Paris. In Meinau, einem Vorort im Süden von Straßburg, wurde zuletzt ein Polizeiposten mit einem Molotowcocktail angegriffen.

Innenminister Castaner führt die Ausschreitungen auf die "Härte" der Corona-Ausgangsbeschränkungen zurück. Es handle sich bei den Unruhestiftern überwiegend um Jugendliche, "die denken, es sei ein Spiel, die Polizei anzugreifen und Müll zu verbrennen", so der Minister. Viele der Randalierer lebten in Armut und seien deshalb wütend, so Castaner. "Aber die richtige Antwort darauf ist nicht, das Auto des Nachbarn zu zerstören und in Brand zu stecken."

Die Vorfälle wecken Erinnerungen an das Jahr 2005, als es in einer Pariser Vorstadt über mehrere Wochen hinweg zu Unruhen kam. Damals waren zwei Jugendliche auf der Flucht vor der Polizei ums Leben gekommen.

Neben Zuschüssen für sozial Schwache strebt die Regierung in Paris eine schrittweise Lockerung der Maßnahmen ab Mitte Mai an. So soll dann die Öffnung aller Einzelhandelsgeschäfte erlaubt werden. "Wir wollen, dass alle Einzelhändler aus Gründen der Fairness am 11. Mai auf die gleiche Weise öffnen können", sagt Finanzminister Bruno Le Maire. Restaurants, Bars und Cafés sollen in Frankreich aber noch geschlossen bleiben.

Auch in Frankreich sinkt die Zahl der Covid-19-Patienten, die in Krankenhäusern behandelt werden. Dort waren zuletzt 5053 Infizierte in intensivmedizinischer Behandlung, 165 weniger als am Vortag. 516 sind an dem Virus gestorben. Die Gesamtzahl der Toten ist allerdings erschütternd: Sie liegt bei knapp 22.000 Opfern. Frankreich gehört neben den USA, Italien und Spanien zu den Ländern, in denen die Zahl der Corona-Toten die Marke von 20.000 überschritten hat.

Drama auf Flugzeugträger

Dramatische Szenen spielten sich auf dem Flaggschiff der französischen Marine, dem Flugzeugträger "Charles de Gaulle" ab. Von den 2000 Matrosen infizierten sich mehr als 1000 mit dem Virus, das offenbar im Hafen von Brest eingeschleppt wurde. Auf dem Schiff kann man sich kaum aus dem Weg gehen, die Gänge sind eng, pro Zimmer sind 20 Menschen untergebracht. Vorsichtsmaßnahmen gab es zunächst kaum, das Virus konnte sich rasant ausbreiten.(red)