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Ohne Paris geht nichts für Berlin

Von Martyna Czarnowska

Politik

Deutschland ist während seines Ratsvorsitzes auf die Abstimmung mit Frankreich angewiesen.


Schloss Meseberg hat schon manchen Spitzenpolitiker gesehen. Das Gästehaus der deutschen Regierung, rund 70 Kilometer von Berlin entfernt, bot den stilvollen Rahmen für Treffen mit Staats-, Minister- und EU-Kommissionspräsidenten. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron war auch schon einmal dort - und wird am Montag wieder dort erwartet. Er wird der erste ausländische Gast sein, den Bundeskanzlerin Angela Merkel nach den Corona-Sperren offiziell begrüßt. Nur zwei Tage später übernimmt Deutschland dann für ein halbes Jahr den EU-Vorsitz.

Es hat in Diplomatie und Politik auch Symbolcharakter, wer, wann und wo empfangen wird. Berlin und Paris rücken wieder enger aneinander, die deutsch-französische Achse, um die sich die EU immer wieder dreht, gewinnt an Kraft. Das Treffen Merkels mit Macron soll dies wohl nochmals verdeutlichen.

Das Barockschloss am Huwenowsee spielt dabei auch seine Rolle. Schon vor zwei Jahren mündeten dort die Gespräche des deutsch-französischen Ministerrats in die "Erklärung von Meseberg", die das "Versprechen Europas für Sicherheit und Wohlstand erneuern" sollte. Unter anderem verständigten sich die Nachbarstaaten auf die Grundzüge eines Budgets für die Eurozone. Das Projekt ist besonders Frankreich ein Anliegen, wurde allerdings bisher nicht realisiert.

Mit Finanzfragen werden sich Merkel und Macron auch am Montag beschäftigen. Ihre Zusammenkunft dient nicht zuletzt der Vorbereitung des EU-Gipfels Mitte Juli, des ersten persönlichen Treffens der europäischen Staats- und Regierungschefs seit dem Ausbruch der Corona-Krise. Dabei wollen die Politiker über das Unionsbudget für die Jahre 2021 bis 2027 sowie den damit verknüpften Wiederaufbaufonds beraten.

Paris und Berlin sind da schon vorgeprescht, wobei Deutschland eine Wende vollzogen hat. Hatte es zunächst den Wunsch Frankreichs - und südeuropäischer Staaten - abgelehnt, großzügige Zuschüsse zur Behebung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu gewähren, ist es später umgeschwenkt. Die deutsch-französische Einigung hat der EU-Kommission den Weg geebnet, einen Vorschlag für einen Wiederaufbautopf im Umfang von 750 Milliarden Euro zu präsentieren, wovon zwei Drittel Zuschüsse wären.

Behutsam stark

Die Haltungsänderung Deutschlands und damit das Zugeständnis an Frankreich ist freilich nicht rein uneigennützig. Die größte Volkswirtschaft in der EU ist mit den anderen Mitgliedern eng verbunden, sie braucht Absatzmärkte und einen stabilen Binnenmarkt. Daher ist auch in ihrem Interesse, dass vom Coronavirus hart getroffene Länder wie Italien und Spanien unterstützt werden, um nicht ins wirtschaftliche - und politische - Chaos zu gleiten.

Auch daran, ob eine gemeinsame Bewältigung der Corona-Folgen möglich wird, wird Deutschlands Erfolg als Vorsitzland gemessen werden. "Deutschland kann sich vom Pandemie-Einbruch nur nachhaltig erholen, wenn das seinen EU-Nachbarn auch gelingt", schreiben die Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik. Als zweite Leitlinie für Berlin nennen sie "behutsamen" Umgang mit der eigenen Stärke: "Einerseits braucht es gerade in der größten EU-Bewährungsprobe eine Ratspräsidentschaft mit Macht und Gestaltungswillen, andererseits sollte Deutschland nicht als übermächtig wahrgenommen werden."

Schon alleine deswegen wird es sich Verbündete suchen. Und Frankreich kann einer der mächtigsten Partner sein. Kommen Berlin und Paris überein und können sie vielleicht auch noch Spanien oder Italien für ihre Ideen gewinnen, wird es den anderen Mitgliedern kaum möglich sein, nicht darauf einzugehen.