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Die Stadt als Gefahr für PiS

Von Martyna Czarnowska

Politik

Vor allem die urbanen Wähler könnten in Polen zu einem Wechsel im Präsidentenamt führen.


Hier die Farben Weiß und Rot, da viele Blautöne. Als Polens Staatspräsident Andrzej Duda sich am Sonntagabend bei seinen Wählern bedankte, waren ringsum Nationalfahnen zu sehen. Beim Auftritt seines Herausforderers, des Warschauer Bürgermeisters Rafal Trzaskowski, hingegen gab es auch viel EU-Blau. Die beiden Politiker gingen als stärkste - von insgesamt elf Kandidaten - aus der Präsidentschaftswahl am Sonntag hervor und treten am 12. Juli bei einer Stichwahl gegeneinander an. Beim ersten Durchgang trennten Trzaskowski an die 13 Prozentpunkte von Duda, der auf rund 43 Prozent der Stimmen gekommen war.

Bei ihrem Zweikampf werden sie nun wohl verstärkt auf die Unterschiede setzen, die schon durch die farbliche Umrahmung ihrer Veranstaltungen demonstriert werden sollten. Amtsinhaber Duda, aus den Reihen der nationalkonservativen Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) kommend, betont die Wichtigkeit "traditioneller Werte", die "das Rückgrat" der polnischen Gesellschaft seien. Dazu gehört nicht zuletzt Unterstützung für Familien, die aus Vater, Mutter und Kindern bestehen. Eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften haben da keinen Platz.

Im Wahlkampf war dies nämlich ebenfalls ein Thema. So befand Duda vor kurzem, dass sexuelle Minderheiten wie homo-, bi- und transsexuelle Menschen lediglich eine "Ideologie" seien, vergleichbar mit dem Kommunismus. Diese "LGBT-Ideologie" gelte es abzuwehren. Trzaskowski aber hat schon im Vorjahr als Bürgermeister eine Erklärung verfasst, mit der sich die Stadt zum Schutz der Rechte auch dieser Bürgerinnen und Bürger verpflichtet.

Überhaupt gilt der 48-Jährige als weltoffen, liberal und proeuropäisch. Spätestens nach seiner Wahl zum Stadtchef 2017 hat er sich als einer der bekanntesten Politiker der Mitte-rechts-Partei Bürgerplattform (PO) profiliert, die vor der Machtübernahme durch PiS im Jahr 2015 an der Regierung war. Dem ehemaligen EU-Abgeordneten und Ex-Minister wird zugetraut, der parlamentarischen Mehrheit des Rechtslagers etwas entgegenzusetzen. Immerhin kann das Staatsoberhaupt sein Veto gegen Gesetzesentwürfe einlegen und so das Abgeordnetenhaus zu einer neuerlichen Behandlung der Vorhaben zwingen.

Sieger in Städten

Darum brauchte sich PiS freilich bisher nicht zu sorgen. In den vergangenen Jahren war Duda ein tatkräftiger Unterstützter der Regierungspolitik, die teils heftig umstrittene Projekte umfasste, etwa die im In- und Ausland scharf kritisierte Justizreform.

Einwände gegen das Vorgehen der Partei von Jaroslaw Kaczynski, dem der Umbau des Staates nach eigenen paternalistischen Vorstellungen vorgeworfen wird, kommen vor allem aus größeren Städten und dem Westen des Landes, während vor allem im Süden und Osten PiS mit Sozialprogrammen punkten kann. Dort erhielt denn auch Duda die meisten Stimmen. Trzaskowski konnte nur in drei von 16 Regionen die meisten Wähler für sich gewinnen. In den größeren Städten hingegen war er meist der Sieger: nicht nur in Warschau, sondern beispielsweise auch in Krakau, woher der Amtsinhaber stammt. In der Hauptstadt votierten fast 48 Prozent der Teilnehmer für den Bürgermeister. Mehr Zustimmung als Duda erhielt Trzaskowski auch bei Wählern mit Hochschulausbildung. In der Gruppe sind die Unterschiede weit deutlicher als etwa bei der Aufteilung nach männlichen und weiblichen Wählern.

Doch um in knapp zwei Wochen die 50-Prozent-Hürde zu überwinden, müsste Trzaskowski weitere Bürger mobilisieren. So könnte er sich um die Wählerschaft von Szymon Holownia bemühen. Der linksgerichtete, aber parteilose Publizist kam beim Votum am Sonntag mit fast 14 Prozent auf den dritten Platz.

Dudas Wählerpotenzial wiederum ist nach Meinung vieler Experten so gut wie ausgeschöpft. Er könnte um die Sympathisanten des weit rechts gerichteten Kandidaten Krzysztof Bosak werben, der knapp sieben Prozent der Stimmen erhalten hatte.

Wunsch nach Ausgleich

Der verbleibende Wahlkampf könnte daher durchaus verstärkt polarisieren. Die Stichwahl wird jedenfalls auch eine Beurteilung der Regierungspolitik sein. Zu dieser dürften sich etliche Polen mittlerweile einen Ausgleich wünschen. Anlass zu Hoffnung gibt das Trzaskowski, der in der Kampagne davon sprach, dass Polen einen starken Präsidenten brauche, der die Regierung im Auge behalte. Ob sich der Wunsch erfüllt, hängt auch von der Wahlbeteiligung ab. Ist diese hoch, könnte das dem Herausforderer in die Hände spielen. Schon am Sonntag war sie eine der höchsten der vergangenen dreißig Jahre: Sie lag bei mehr als 64 Prozent.