Am Sonntag verzeichnete das Vereinigte Königreich die höchste Zahl an neuen Corona-Infektionen seit Mai. Fast 3000 neue Fälle wurden in 24 Stunden registriert. Beobachter fürchten, dass die Pandemie auf den Inseln wieder außer Kontrolle gerät.
Montagmorgen ließ der britische Premierminister Boris Johnson mit einer anderen Meldung aufhorchen: Er stellte einen Tag vor der nächsten Brexit-Verhandlungrsunde ein Ultimatum: Entweder Brüssel einige sich mit London bis zum 15. Oktober. Oder es könne es kein Handelsabkommen zwischen beiden Seiten geben.
Kurz kursierte auch eine Version der "Financial Times", wonach London überlege, Teile der schon erzielten Einigung mit Brüssel nicht umzusetzen. Montagmittag wies die britische Regierung den Bericht zurück. Die Regierung bleibe den Abmachungen über das Ausscheiden aus der EU sowie den Festlegungen bezüglich Irlands verpflichtet, hieß es am Montag in einer Stellungnahme.
Brexit-Befürworter in London stoßen sich seit jeher an Sonderregeln für Nordirland, weil sie eine Abkopplung der Provinz vom übrigen Vereinigten Königreich befürchten. Premierminister Boris Johnson ließ sich im Austrittsvertrag dennoch darauf ein, da sonst Kontrollen an der inneririschen Grenze nötig wären. Das wiederum widerspräche dem Karfreitags-Friedensabkommen für Nordirland.
Die EU-Seite hatte zuletzt ohnehin die schleppende Umsetzung des Austrittsabkommens beklagt. Zu dem Bericht in der "FT" erklärte ein EU-Diplomat am Montag: "Pacta sunt servanda - Verträge müssen eingehalten werden - das ist ein fundamentales Prinzip des internationalen Rechts." Und er warnte: "Wer würde noch Handelsabkommen mit einem Land abschließen wollen, das internationale Verträge nicht umsetzt?"
Großbritannien ist im Jänner aus der EU ausgetreten. In einer Übergangszeit bis Jahresende gelten aber noch alle EU-Regeln. Beide Seiten verhandeln ab Dienstag wieder über ein Anschlussabkommen.
EU oder Australien: Hauptsache ein Handelspartner
Wenn keine Einigung zustande kommen sollte, werde Großbritannien Handelsbeziehungen mit der EU wie zu Australien aufnehmen, erklärte Johnson. Auch das wäre "ein gutes Ergebnis". Für die Europäische Union käme dies dem befürchteten ungeregelten Brexit gleich. Barnier, der am Dienstag in London erwartet wird, äußerte sich besorgt. "Die Verhandlungen sind schwierig, weil die Briten das Beste aus beiden Welten wollen", sagte der Franzose dem Radiosender France Inter. Er halte es aber immer noch für möglich, ein Abkommen über die besonders strittige Frage der Fischerei-Rechte zu finden. Daneben ist vor allem Großbritanniens Beharren auf eine vollständige Autonomie bei Staatshilfen ein Knackpunkt.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte Großbritannien, sich an seine Zusagen aus dem Brexit-Abkommen zu halten, wenn es eine Vereinbarung über künftige Beziehungen mit der EU haben möchte. Sie vertraue darauf, dass London dies tun werde, twitterte sie. Ein Sprecher der Regierung sagte in Berlin, eine Einigung sei noch möglich. Großbritannien müsse sich aber bewegen.
EU-Diplomaten warnten zuvor die Regierung in London, dass eine Abkehr von vertraglichen Zusagen Großbritannien weltweit einen Vertrauensverlust einbrocken und die Chancen für ein Handelsabkommen schmälern würde. "Wer würde Handelsabkommen mit einem Land vereinbaren wollen, das internationale Verträge nicht umsetzt?", fragte ein Diplomat. "Es wäre eine verzweifelte und letztlich selbstzerstörerische Strategie." (reuters,apa)