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Sehnsucht nach symbolträchtigem Sieg

Von Alexander Dworzak

Politik

Die rechtspopulistische Lega möchte die linke Toskana erobern und damit Druck für landesweite Wahlen in Italien ausüben.


Die Eroberung linker Hochburgen, sie zieht Matteo Salvini magisch an. Der Chef der rechtspopulistischen Lega ist nicht nur ein Instinktpolitiker, er genießt die kräftezehrenden Wahlkämpfe geradezu. Und am allermeisten, wenn als Lohn ein symbolisch hochaufgeladener Erfolg steht. Im Jänner schickte sich die Lega an, die Emilia-Romagna zu erobern - seit Ende des Zweiten Weltkriegs von Kommunisten, Sozialisten oder Sozialdemokraten regiert. Doch Salvinis Partei scheiterte, er selbst wurde in der Folge durch das Coronavirus in den Hintergrund gedrängt.

Nun werden erstmals seit Ausbruch der Pandemie die Italiener zu den Urnen gerufen. Am Sonntag und Montag finden Wahlen in sieben der 20 Regionen statt. Die Lega möchte nicht nur Venetien und Ligurien verteidigen und das kleine Aostatal zurückgewinnen. Salvinis Ziel ist es, die vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) gehaltenen Regionalpräsidenten in Apulien, Kampanien und Marken abzulösen. Uber all dem steht das symbolisch wichtige Ziel, dass die seit einem halben Jahrhundert links regierte Toskana künftig einen Lega-Regionalpräsidenten hat.

Dafür braucht der Sieger im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit, 40 Prozent genügen. Die Parteien rechts der Mitte bündeln daher ihre Kräfte, die Lega bildet eine Allianz mit Silvio Berlusconis Forza Italia, der postfaschistischen Fratelli d’Italia Giorgia Melonis und einer Regionalpartei. Mitte-links hat der PD zwar mit gleich fünf Kleinparteien ein Bündnis geschmiedet. Doch die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) tritt alleine an. Dadurch sinken die Chancen für PD-Regionalpräsident Eugenio Giani auf einen Sieg im ersten Wahlgang. Er lag in der letztveröffentlichten Umfrage Anfang September bei 42 Prozent. Mitte-rechts-Kandidatin Susanna Ceccardi kam auf 38 Prozent und Irene Galletti von M5S auf acht Prozent.

Animositäten sitzen tief

Auch die Appelle von Ministerpräsident Giuseppe Conte zu einer Kooperation von PD und M5S fruchteten nicht. Eine Überraschung war dies jedoch nicht. Beide Parteien sind zwar seit vergangenem September Koalitionspartner in der Regierung in Rom, ergänzt um Kleinparteien, aber die Animositäten sitzen tief. Die wurden insbesondere durch den Gründer der Populisten, Beppe Grillo, über Jahre befeuert. Koalitionen sind keine Liebesheiraten.

Bis zum regulären Ende der Legislaturperiode ist es noch ein weiter Weg, bis 2023. So lange möchte Matteo Salvini nicht auf seine nächste Chance warten, nachdem er die Regierung der Lega mit M5S im vergangenen Sommer sprengte und sich damit verkalkulierte. Symbolträchtige Siege bei Regionalwahlen sollen den Druck auf die Regierung in Rom erhöhen und sie möglichst bald zu Fall bringen.

Der eigenen Bühne beraubt

Salvini selbst hat bereits bessere Zeiten erlebt. Seiner Bühne als Innenminister hat er, der Asylwerbern und Personen auf der Suche nach einem besseren wirtschaftlichen Auskommen die Einfahrt in Italiens Häfen verwehrte, sich selbst beraubt. Migration war in Zeiten von Corona ohnehin nicht drängendste Problem in einem Land, das so früh und so heftig von der Pandemie erfasst wurde. Mehr als 35.000 Personen sind mit Covid-19 gestorben, fast sieben Wochen befand sich das Land im Lockdown-Modus. Die erschütternden Erfahrungen machen es für Salvini schwerer als für Populisten anderer Länder, über strikte Maßnahmen der Regierung zu wettern. Noch dazu ist die Gesundheitsversorgung großteils Sache der Regionen und somit Sache von Lega-Regionalpräsidenten.

In landesweiten Umfragen ist die Lega mit 27 Prozent zwar weiterhin stärkste Partei, von früheren Werten über 30 Prozent aber deutlich entfernt. Die verlorenen Stimmen sind zu den Postfaschisten gewandert, der Mitte-rechts-Block liegt bei 48 Prozent. Sozialdemokraten und Fünf Sterne verfügen gemeinsam nur über 35 Prozent. Sie müssen sich in Rom weiter aneinanderklammern.