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Merkel warnt vor finanziell nicht bewältigbarer Krise

Politik

Einen Lockdown wie im Frühjahr könne sich Deutschland nicht leisten, heißt es aus dem Kanzleramt. Frankreich greift indes zu Ausgangssperren.


Paris/Berlin. Als "Motoren" der EU werden die beiden größten Unionsländer gerne bezeichnet. Daheim setzen sie auf ganz unterschiedliche Antriebskonzepte: hier das föderal organisierte Deutschland, dort das zentralistische Frankreich. In der Corona-Krise kämpfen beide Länder und Konzepte mit stark steigenden Infektionszahlen - wenn auch auf unterschiedlichem Niveau.

Weil Frankreich zum dritten Mal binnen sechs Tagen mehr als 20.000 positiv auf Covid-19 Getestete vermelden musste, griff Präsident Emmanuel Macron zum drastischen Mittel der Ausgangsbeschränkungen. In neun Städten, darunter mit Paris, Marseille und Lyon die drei größten, dürfen Personen ab Samstag von 21 Uhr bis sechs Uhr ohne triftigen Grund nicht mehr auf die Straße. Fast ein Drittel aller Franzosen sind betroffen. Wie ernst das Verbot gemeint ist, zeigt das Bußgeld von 135 Euro bei Missachtung.

Macron: "Wir sind in einer zweiten Welle"

"Wir sind in einer zweiten Welle. Wir müssen reagieren", begründete Macron die Maßnahme. Er hofft, die Neuinfektionen damit auf 3000 zu drücken. Die Regierung rief den Gesundheitsnotstand aus, mit dem sie auch lokale Lockdowns verhängen kann. Damit können auch wirtschaftliche Hilfen im Schnellverfahren durchgeführt werden. Macron kündigte bereits an, er wolle Gastronomen und Kultureinrichtungen unter die Arme greifen.

Von einer Ausgangssperre ist in Deutschland derzeit keine Rede und auch die am Donnerstag gemeldeten rund 6.600 Neuinfektionen liegen weit unter jenen Frankreichs. Aber gemessen am bisherigen Erfolg der deutschen Corona-Politik sind die Zahlen alarmierend, vor zwei Wochen waren es noch 2.500 Personen.

Die am stärksten betroffene Region gemessen an der Einwohnerzahl ist derzeit der Eifelkreis Bitburg-Prüm im Bundesland Rheinland-Pfalz mit 131 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohnern. Auslöser dafür waren zwei Geburtstagspartys. In Rheinland-Pfalz gingen laut Ministerpräsidentin Malu Dreyer drei Viertel aller Neuinfektionen auf private Feiern und Familienfeste zurück.

Deutschland setzt Hebel bei Festen an

Positiv sieht daher die SPD-Politikerin die Feier-Beschränkung: Überschreitet ein Landkreis oder eine Stadt die Grenze von 35 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohnern binnen einer Woche, sind maximal 25 Gäste bei Festen im öffentlichen Raum zugelassen, im privaten Bereich sind es 15. Ab 50 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohnern sind nur noch zehn Personen im öffentlichen Raum gestattet; im privaten sind es ebenfalls zehn, allerdings aus maximal zwei Haushalten. Darauf einigte sich Merkel mit den Ministerpräsidenten am Mittwoch, Bayern wendet noch strengere Regeln an.

Schon tags darauf stellte Kanzleramtschef Helge Braun in der ARD klar, die Vereinbarungen - darunter auch eine etwaige Sperrstunde - "werden nicht ausreichen". Braun sieht Deutschland am Beginn einer "sehr großen zweiten Welle". Welch dramatische Folgen drohen, liefert er gleich mit: Eine zweite Welle mit den Folgen des Frühjahrs könne sich die Bundesrepublik "nicht leisten". 250 Milliarden Euro beträgt die Neuverschuldung heuer. Merkel warnt bereits, es gehe darum, ob Deutschland die Krise noch wirtschaftlich und finanziell bewältigen könne.(da)