Chisinau. Wie Belarus und die Ukraine, so ist auch die Republik Moldau (Moldawien) ein zwischen West und Ost zerrissenes Land. In der mehrheitlich rumänisch geprägten Ex-Sowjetrepublik gibt es auch viele Russischsprachige, die sich kulturell und politisch an Moskau orientieren. Auch bei der diesjährigen Präsidentenwahl hat sich das wieder gezeigt, bei der die an der EU orientierte Kandidatin Maia Sandu, eine ehemalige Regierungschefin, den prorussischen Amtsinhaber Igor Dodon in der Stichwahl herausfordert.

Die erste Runde der Wahl am 1. November hat Sandu, die Kandidatin der Oppositionspartei "Aktion und Solidarität" (PAS), knapp für sich entschieden. 36,16 Prozent der Stimmen konnte sie auf sich vereinen, während Dodon mit 32,61 Prozent Platz zwei belegte. Die Wahlbeteiligung lag aufgrund der Corona-Pandemie diesmal nur bei 42,75 Prozent - der niedrigste Wert seit der Ausrufung der Unabhängigkeit in den 1990er Jahren. Für die Stichwahl am Sonntag rief Sandu zu einer "beispiellosen Mobilisierung" der eigenen Wähler auf.

Fake-News-Vorwürfe

Dies auch deshalb, weil das Russlandfreundliche Lager trotz Sandus knappen Vorsprungs gut aufgestellt ist: Addiert man die Stimmen der drei russlandfreundlichen Präsidentschaftsbewerber in ersten Wahlgang, kommt man auf 56 Prozent und damit auf eine Mehrheit.

Ob dabei alles mit rechten Dingen zugegangen ist, wird seitens des Pro-EU-Lagers aber bezweifelt. Westlich orientierte moldauische Medien beschwerten sich nach den ersten Wahlgang über Fake-News-Kampagnen gegen Sandu. So verwies das Nachrichtenportal "agora.md" darauf, dass Stunden nach Bekanntwerden des vorläufigen Endergebnisses des ersten Wahlgangs, bei dem Sandu vorne lag, insgesamt drei TV-Sender, die Dodons sozialistischer Partei nahestehen, immer noch den Amtsinhaber als Sieger meldeten. Der moldauische Journalist Nicolae Negru warnte, dass Dodon ohne die ihm vor vier Jahren zuteilgewordene Unterstützung des inzwischen abgetauchten Oligarchen Vlad Plahotniuc zwar massiv an Stimmen eingebüßt habe, die Stichwahl jedoch nichtsdestotrotz durchaus gewinnen könne - und zwar mittels Medienmanipulation und Wahlbetrug.

Busse aus Transnistrien?

Der erste Wahlgang war nämlich bereits von Vorwürfen wegen Betrugs in den Wahllokalen nahe der Region Transnistrien überschattet. Das russisch und ukrainisch besiedelte Transnistrien hatte sich nach dem Zerfall der Sowjetunion in den 1990er Jahren von Moldawien abgespalten, es kam zu heftigen Kämpfen. Die schmale, winzige Republik entlang des Flusses Dnjestr ist international nicht anerkannt und gehört völkerrechtlich zu Moldawien - obwohl sie sich de facto vollständig vom Mutterland gelöst hat. Nach Angaben der Oppositionspartei PAS wurden auch diesmal, wie schon vor vier Jahren, zahllose Wähler aus der abtrünnigen Teilregion mit Bussen in moldauische Wahllokale gekarrt. Deshalb habe man bei der Polizei mehr als 300 Anzeigen erstattet, teilte die PAS mit. Beim nun folgenden zweiten Wahlgang fürchtet man ähnliche Manipulationen.

Sandu forderte deswegen nach dem ersten Wahlgang den umgehenden Rücktritt von Innenminister Oleg Tulea sowie des Vorsitzenden der Wahlbehörde, Dorin Cimil. Staatspräsident Dodon sprach indes von einer "freien, fairen und demokratischen" ersten Runde.(apa/leg)