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Keine Erlösung im Brexit-Poker

Von Michael Schmölzer

Politik

Johnson und von der Leyen haben ihr Telefonat am Montagabend nach 90 Minuten beendet. Der britische Regierungschef will jetzt persönlich nach Brüssel kommen.


Wer am Montag auf einen entscheidenden Durchbruch der Brexit-Verhandlungen gewartet hat, der wurde enttäuscht. Pünktlich um 14.00 Uhr hieß es von Seiten eines britischen Regierungssprechers, dass es weiterhin "signifikante Differenzen" gebe, unter anderem im Bereich Fischerei. Keine der beiden Seiten hat sich also entscheidend bewegt. Wieder ein Rückschlag für alle, die doch noch auf einen Handelsvertrag zwischen der EU und Großbritannien hoffen. Der britische Premier Boris Johnson und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen  telefonierten dann am Abend 90 Minuten lang, um Resumee zu ziehen. Das Gespräch wurde ohne Resultat beendet.  Laut Diplomaten hätten sich die Differenzen in der Fischerei-Frage sogar noch verstärkt. Johnson will nun in den nächsten Tagen zur Endrunde der Gespräche persönlich nach Brüssel kommen.

Ob es zu einem "No Deal" oder doch noch zu einer Art Minimalkompromiss kommt, ist gegenwärtig völlig unklar. Ein harter Brexit ohne Handelsvertrag wird immer wieder als "wirtschaftspolitischer Vandalismus" bezeichnet, der keine Sieger und nur Verlierer kennen würde. Doch haben sich die Briten 2016 mehrheitlich für den Austritt aus der EU entschieden. Wer A sagt, so eine mögliche Überlegung Johnsons, der muss auch B sagen und die Verbindung zu Brüssel in allen Bereichen einfach kappen. Koste es, was es wolle. Denn wollen die Briten weiterhin privilegiert mit der EU Handel treiben, dann müssen sie viele EU-Regeln beibehalten um das berühmte "Level Playing Field", also faire Voraussetzungen, aufrecht zu erhalten. Wozu dann also ein EU-Austritt?

London deutet Einlenken bei Binnenmarkt-Gesetz an

Es macht fallweise den Anschein, als wäre London an einer Einigung nicht interessiert. Denn während die Gespräche zu scheitern drohen, hat Johnson am Montag das umstrittene Binnenmarkt-Gesetz wieder ins Unterhaus eingebracht. Dieses verstößt in mehreren Punkten gegen das im Vorjahr mit der EU beschlossene Brexit-Abkommen – auch, was die innerirische Grenze betrifft. Der Schritt kann auf Seiten der EU nur als bewusste Provokation wahrgenommen werden. Zumal einer der strittigen Hauptfragen zwischen Großbritannien und der EU die ist, wer künftig derartige Vertragsbrüche ahnden soll. Johnson, so schien es, nutzt jetzt jede Gelegenheit, um den Europäern zu vermitteln, dass er nicht gewillt ist, sich an Abmachungen mit der EU zu halten. Die britische "Times" hat allerdings in Erfahrung gebracht, dass Johnson gewillt wäre, die Klauseln, die internationals Recht brechen, aus dem Binnenmarktgesetz zu entfernen. Das wurde mittlerweile bestätigt.London gibt demnach zu, dass die Klauseln internationales Recht brechen. Sie seien aber eine Art "legales Sicherheitsnetz". Voraussetzung sei, dass es zu einer Einigung in dem gemeinsamen Komitee gebe, das für die Umsetzung der Nordiland-Bestimmungen zuständig sei.

Die Verhandlungen sind jedenfalls in der Schlussphase, die Rede ist vom "Endgame", der Druck wird erhöht. Jetzt habe man noch 48 Stunden, heißt es, vielleicht noch bis zum 10. Dezember. In der Tat benötigt der Ratifizierungsprozess eines etwaigen Abkommens einige Zeit. Während sich einige unverdrossen in Optimismus üben, wird die Zahl derer, die Zweifel an einem Happy End hegen, größer. Zuletzt hat ein Sprecher des britischen Premiers jedenfalls betont, dass es 2021 keine Verhandlungen geben werde. Damit werden die Aussichten auf eine Einigung von Stunde zu Stunde trüber.

Verschiedene Minister im Kabinett Johnsons betonen, dass man einen "No deal" in Kauf nehmen würde. Ob es sich hier nur um leere Drohungen handelt, bleibt abzuwarten.