Die Schweiz hofft im Windschatten des Post-Brexit-Handelsdeals auf Zugeständnisse seitens der EU. "Die EU hat Flexibilität zeigen müssen. Es gibt für die Schweiz jetzt neue Möglichkeiten", sagte der sozialdemokratische Gewerkschaftspräsident Pierre-Yves Maillard der "NZZ am Sonntag". Auch FDP-Chefin Petra Gössi forderte gegenüber der Zeitung, dass die Schweizer Regierung "mindestens versuchen sollte, eine Lösung ohne den EuGH auszuhandeln", nachdem dies London gelungen sei.
Die Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als Schiedsrichter ist auch in den Verhandlungen über ein Rahmenabkommen zwischen der EU und der Schweiz der größte Zankapfel. Schweizer Medien werteten den am Heiligen Abend erzielten Abschluss in den Gesprächen über einen Post-Brexit-Handelspakt als Punktesieg für London, das sich in den meisten Streitfragen durchgesetzt habe.
Diplomatisch äußerte sich der künftige Schweizer Bundespräsident Guy Parmelin zum Deal. "Es ist für die ganze Welt eine gute Nachricht, dass man ein Abkommen gefunden hat. Auch für die Schweiz", sagte er. Nicht festlegen wollte sich der Wirtschaftsminister dazu, was dies für die in einem Patt steckenden EU-Schweiz-Verhandlungen bedeutet. "Wir warten nun auf den Text und analysieren die ganze Situation", sagte der Politiker der Schweizerischen Volkspartei (SVP).
Viel engeres Verhältnis zur EU als Großbritannien
Der vor zwei Jahren ausverhandelte Entwurf für ein EU-Schweiz-Rahmenabkommen liegt derzeit wegen innenpolitischer Widerstände auf Eis. Neben der traditionell europaskeptischen SVP sind auch die Sozialdemokraten (SP) dagegen, die eine Nivellierung von Sozialstandards befürchten. Auch ein Ultimatum Brüssels, das unter anderem mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die Schweizer Finanzwirtschaft gedroht hatte, brachte keine Bewegung.
Unmittelbar nach dem Brexit-Votum geweckte Hoffnungen auf günstigere Lösungen in den Verhandlungen mit der EU hatten sich bisher nicht erfüllt. Auch jetzt weisen Experten darauf hin, dass die Schweiz ein viel engeres Verhältnis zur Europäischen Union habe als das Inselkönigreich. So gehört die Schweiz etwa auch dem Schengen-Raum an, dem das Vereinigte Königreich nie beigetreten war. Teil dessen ist auch die von Rechtspolitikern massiv bekämpfte Personenfreizügigkeit. (apa)