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Internationales Gerangel um Impfstoff

Politik

Wegen Produktionsengpässen wird weniger Vakzin geliefert. Für die EU ist das ein Wettbewerbsnachteil.


Nachdem der Impfstoffhersteller AstraZeneca vor etwa einer Woche eingeräumt hat, dass es die bis März zugesagte Menge an Impfstoffen doch nicht liefern kann, ist ein internationaler Streit um Impfstoffe und Liefermengen entfacht. Zur Erinnerung: AstraZeneca wollte bis Ende März 80 Millionen Impfdosen an die EU-Länder liefern. Nun sollen es doch nur 31 Millionen Impfdosen sein, was die EU-Kommission auf den Plan brachte. EU-Vertreter drohen nun sogar mit einem Exportverbot für Impfstoffe, die in der EU produziert werden.

Gleichzeitig soll AstraZeneca Berichten zufolge seine Lieferzusagen für Großbritannien und die USA einhalten. In der EU verzögert sich allerdings die Durchimpfung der Bevölkerung aufgrund der Lieferengpässe. AstraZeneca argumentiert das damit, dass die EU einfach zu spät bestellt hätte.

Ganz so einfach ist die Sache aber nicht, denn die EU-Staaten haben Milliarden in die Impfstoffentwicklung investiert und den Pharmakonzernen mit üppigen Zuschüssen, Garantien und Abnahmeversprechen unter die Arme gegriffen. Das hat auch maßgeblich zur schnellen Impfstoffentwicklung beigetragen. Deshalb lässt die EU-Kommission auch das Argument, man habe zu spät bestellt, nicht gelten. Die EU soll allein für 300 Millionen Dosen von Astra Zeneca 365 Millionen Euro bezahlt haben.

Nicht nur AstraZeneca, sondern auch Biontech und zum Teil auch Moderna haben Produktionsengpässe. Das liegt daran, dass zwar sehr viel in die Impfstoffentwicklung investiert wurde, aber kaum in den Anlagenbau. Also in Betriebsstätten, in denen die Impfstoffe dann hergestellt und verpackt werden. Solche Investitionen sind aber langfristig nicht rentabel. Denn die Produktionskapazitäten werden derzeit schnell und kurzfristig benötigt, langfristig sind zusätzliche Werke und Produktionsstraßen, die dann nicht voll ausgelastet sind, ein Verlustgeschäft.

Allianz mit Konkurrenten

Nun gehen die Impfstoffhersteller Allianzen mit anderen europäischen Pharmafirmen ein, um Produktionsengpässe zu vermeiden. Am Freitag haben Biontech und die Schweizer Pharmafirma Novartis ein Abkommen unterzeichnet, wonach Novartis Produktionskapazitäten für den Covid-Impfstoff von Biontech herstellt.

Die französische Sanofi hat zugesagt, die Produktion von 125 Millionen Dosen des Impfstoffs von Biontech und Pfizer zu übernehmen. Pfizer und Biontech haben sich verpflichtet, in diesem Jahr bis zu 600 Millionen Dosen an die EU zu liefern. Die Partner mussten aber auch Lieferprobleme eingestehen, da die Produktion im belgischen Pfizer-Werk Puurs wegen der Ausweitung der Kapazitäten zunächst gedrosselt werden müsse. Und auch der US-Impfstoffanbieter Moderna kooperiert in der Impfstoffproduktion mit der Schweizer Firma Lonza (siehe Karte).

Arme Länder außen vor

Wer wieviel Impfstoff wann bekommt wird zur Wettbewerbsfrage. Denn je früher je mehr Menschen geimpft sind, desto früher kann man zur wirtschaftlichen Normalität zurückkehren. Und die EU möchte nun um jeden Preis einen Wettbewerbsnachteil vermeiden. Ein Exportverbot soll es doch nicht geben, aber EU-Kommissionsvize Vladis Dombrovski kündigte ein System zur Erfassung und Genehmigung von Impfstoffen an, das auch mehr Klarheit über Mengen und Fristen geben soll.

Leidtragende dieses aktuellen Impf-Wettrüstens sind die Entwicklungsländer. Die WHO warnte schon vor Wochen vor einer massiven Ungleichheit bei der globalen Verteilung von Impfstoffen, denn derzeit werden verhältnismäßig kaum Impfstoffe in ärmere Länder geliefert.(del)