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Ohne sie kein Ausweg aus der Pandemie

Von Martyna Czarnowska

Politik
© WZ-Illustration / Irma Tulek

Von Wissenschaft über Pflege bis Politik: Die Corona-Krise hat Erfolg und Bedeutung von Frauen sichtbar gemacht.


Wachsende Ungleichheit oder Armut, Mehrfachbelastung, Gewalt: Die Geschichten von Frauen als Hauptbetroffene der Corona-Krise sind zahlreich. Doch dann gibt es noch andere Geschichten, jene, in denen die Pandemie den Erfolg und die Bedeutung von Frauen erst sichtbar gemacht hat.

Katalin Kariko und Maria Rosaria Capobianchi könnten zum Beispiel davon erzählen - auch wenn sie lieber betonen, dass in ihrer Arbeit eben ihre Tätigkeit und nicht ihr Geschlecht im Vordergrund stand. Beide sind Wissenschafterinnen, haben jahrzehntelang auf ihren Feldern geforscht und gelehrt. In der Pandemie wurden ihre Erkenntnisse bahnbrechend.

Kariko, die vor gut 30 Jahren aus Ungarn in die USA emigriert war, befasste sich schon damals mit Boten-RNA (mRNA). Als die Biochemikerin zur Pharmaindustrie, in ein deutsches Unternehmen wechselte, war sie daran beteiligt, den derzeit wohl begehrtesten Corona-Impfstoff zu entwickeln: das Vakzin von Biontech und Pfizer.

Capobianchi wiederum hat sich auf Mikrobiologie spezialisiert. Sie ist Leiterin im virologischen Labor des Instituts Lazzaro Spallanzani in Rom. Es war ihr Team, dem es gelang, das Virus Sars-CoV-2 zu isolieren, den Erreger der Lungenkrankheit Covid-19.

Der Wert der Pflege

Den Wert des Gesundheits- und Pflegesektors verdeutlichte die Corona-Krise ebenfalls. Um dem medizinischen Personal Dank und Respekt zu zollen, stellten sich Menschen in etlichen Ländern allabendlich auf ihre Balkone oder vor ihre Fenster und klatschten, zumindest zum Anfang der Pandemie. In Österreich wurden Sonderzüge angeheuert, als klar wurde, dass ohne die Pflegerinnen aus Rumänien oder der Slowakei die auf sie Angewiesenen allein gelassen wären. Eine finanzielle Aufwertung der Arbeit erfolgte dennoch nicht. Noch immer gehören Pflegeberufe, in denen Frauen dominieren, zu den schlechter bezahlten.

Berufsverbände pochen bereits seit langem darauf, Pflege nicht als Kostenfaktor, sondern als Investition anzusehen. Und sie wünschen sich Einbindung in das aktuelle Corona-Krisenmanagement der Politik. "Wir haben die Ausbildung und die Erfahrung dafür", sagt Alda Dalla Valle von der Nationalen Vereinigung der Krankenpflegerinnen Belgiens. Doch in die Entscheidungen der Regierung in Brüssel würden die, die mit Covid-Erkrankungen täglich zu tun haben, nicht eingebunden.

Katalin Kariko, Maria Rosaria Capobianchi und Alda Dalla Valle kamen bei einer virtuellen Veranstaltung des EU-Parlaments zusammen. Im Abgeordnetenhaus wird schon darauf hingewiesen, dass der Aspekt der Gleichstellung der Geschlechter beim wirtschaftlichen Wiederaufbau - und damit auch beim Corona-Hilfsfonds - zu berücksichtigen sei. Die Pandemie habe nämlich die noch bestehenden Ungleichheiten alles andere als schrumpfen lassen.

Evelyn Regner, Vorsitzende des Ausschusses für Frauenrechte im EU-Parlament, zählt auf: Frauen seien stärker getroffen von Jobverlust durch die Pandemie, sie trügen die Hauptlast für unbezahlte und häusliche Arbeit, die Gewalt gegen Frauen sei gestiegen. Dabei ist der Kampf gegen das Coronavirus - auch - weiblich: "75 Prozent der systemrelevanten Jobs üben Frauen aus", betont die SPÖ-EU-Mandatarin.

Weibliche Regierungshand

Selten war eine Gesundheitskrise so eng verzahnt mit einer wirtschaftlichen und politischen Krise. Frauen behaupten sich auch dabei. Als Beispiele für die Spitzenpolitik werden häufig Bundeskanzlerin Angela Merkel und Premierministerin Jacinda Ardern genannt. Während die Deutsche trotz aller Kritik und allem Drängen von verschiedenen Seiten auf Umsicht setzt, wird die Neuseeländerin nicht zuletzt für ihr Einfühlungsvermögen gelobt - und ihren Kommunikationsstil. Viel Sympathie erntete sie für die Kontaktaufnahme mit ihren Landsleuten via Facebook, so wie im Übrigen die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg für ihre Pressekonferenz für Kinder.

Schon tauchte die Frage auf, ob von Frauen geführte Staaten besser durch die Pandemie gelenkt werden. Supriya Garikipati und Uma Kambhampati von den Universitäten Liverpool und Reading haben eine wissenschaftliche Antwort versucht. Sie verknüpften die Zahlen der Corona-Infektions- und Todesfälle mit Indikatoren wie Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, Altersstruktur, Gesundheitsausgaben und verglichen ähnliche Länder. Das Ergebnis: Die Eindämmung der Pandemie gelingt den Staaten mit einer Frau an der Regierungsspitze besser, was teils mit der "proaktiven und koordinierten" Vorgangsweise zusammenhängen könnte.

Allerdings räumen die Studienautorinnen ein, dass das Bild statistisch verzerrt sein könnte. Zum einen wurde es am Anfang der Pandemie erstellt. Zum anderen ist die Vergleichsprobe gering: Von den 194 untersuchten Staaten werden nur 19 von Frauen regiert. Einem der üblichen Erklärungsmuster wird allerdings widersprochen - dass Frauen weniger risikobereit wären und deshalb früher als so manche Amtskollegen einen Lockdown verhängt haben. Sie wollten zwar das Risiko für Leib und Leben mindern. Aber das Risiko wirtschaftlicher Verwerfungen scheuten sie schon weniger.