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Struktureller Rassismus im Kolonial-Gebälk

Von Konstanze Walther

Politik

Harry und Meghans Interview strafte das Bild eines glücklichen Commonwealth des britischen Königshauses der Lüge.


Den Vorwurf des Rassismus will man im britischen Königshaus nun sogar intern aufarbeiten. Die Queen nehme das sehr ernst. Zur Erinnerung: im Fernsehinterview erklärten Prinz Harry und Herzogin Meghan, dass unter anderem ein Mitglied der Königsfamilie laut über die Dunkelheit der Haut des damals noch ungeborene Urenkelkindes der Queen spekulierte.

Etwas, was besonders in den USA, Meghans Geburtsland, als extrem rassistisch eingestuft wird. Über Hautfarbe sprechen US-Amerikaner nicht, es gilt bei den (weißen) US-Eliten das Postulat der Farbblindheit. Wie dann tatsächlich gehandelt wird, steht auf einem anderen Blatt.

Auch im Rest der Welt sollte im 21. Jahrhundert die Hautfarbe kein Thema sein. Für Queen Elizabeth extrem unangenehm, steht sie doch dem Commonwealth vor, einem losen Staatenverbund, dem 54 Länder angehören - 19 davon in Afrika. Dabei handelt es sich um Botswana, Gambia, Ghana, Kamerun, Kenia, Lesotho, Malawi, Mauritius, Mozambique, Namibia, Nigeria, Ruanda, Sambia, Seychellen, Sierre Leone, Südafrika, Swaziland, Tansania und Uganda.

Das sind Überbleibsel des Kolonialismus: Zu dessen Hochzeiten besetzte Großbritannien 30 Prozent des afrikanischen Kontinenten. Touren im Commonwealth gehören zu den royalen Aufgaben, dokumentiert mit reichlichen Fotos. Auch Harry und Meghan waren 2019 auf großer Afrika-Reise, um die Beziehungen zu stärken.

Die Fotos aus den Waisenhäusern, mit Politikern und mit Exotik im Hintergrund sollen eine britische Weltsicht widerspiegeln, in der alle in ihrer Vielfalt akzeptiert werden - und doch alle irgendwie zum mehrheitlich weißen Großbritannien gehören.

"Keine Hunde, keine Schwarzen, keine Iren"

Doch die meisten Schwarzen, die in Großbritannien leben, sind mit einer Realität konfrontiert, die so gar nicht in diese pauschale Umarmung passt. Bei einer Studie im November vergangenen Jahres berichteten 95 Prozent aller jungen Schwarzen, dass sie mit rassistischer Sprache während ihrer Ausbildung konfrontiert worden sind. Mehr als die Hälfte der Männer erklärte, sie hören in der Schule "die ganze Zeit" rassistische Äußerungen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Einwanderung aus den Kolonien der "Rettungsanker für den Wiederaufbau in Großbritannien", schreibt etwa der Soziologe Adam Elliott-Cooper von der Greenwich University in London in einer Analyse für die Heinrich-Böll-Stiftung. Mit dieser Migration kamen auch das "rassistische Gedankengut und die Unterdrückungsmethoden, mit denen sie in den Kolonien beherrscht wurden, nach Hause ins ,Mutterland‘. ,Keine Hunde, keine Schwarzen, keine Iren‘", war bei Mietwohnungen oft im Fenster zu lesen. Die schärfste Waffe des Rassismus war die Kriminalisierung der Zugewanderten, schreibt Elliott-Cooper. Sie wurden pauschal als Straftäter dargestellt, und Polizeieinsätze und Diskriminierung so gerechtfertigt. Mit den 1990er Jahren begannen die ersten Aufarbeitungen des strukturellen Rassismus in der britischen Polizei.

Doch der Weg ist noch weit: In Großbritannien werden Schwarze noch im Verhältnis 9:1 im Vergleich zu Weißen von der Polizeiangehalten und durchsucht. Schwarze machen drei Prozent der Bevölkerung in England und Wales aus, aber 12 Prozent der Gefängnispopulation.

Einziger Vorteil: Sie werden nicht so oft von Polizisten erschossen, wie in den USA - unter anderem, weil die Polizei in Großbritannien meist keine Schusswaffen trägt. Aber auch in Großbritannien gibt es schwarze Todesopfer in den Händen von Polizei und Migrations-Behörden. Der darunter liegende Rassismus in den USA und in Großbritannien ist durchaus vergleichbar, schreibt der Guardian-Autor David Olusoga. "Wenige würden leugnen, dass in vielerlei Hinsicht das Leben für Nicht-Weiße in Großbritannien besser ist als in den USA. Das Problem ist nur, dass es nicht um soviel ,besser‘ ist, wie viele glauben wollen.

Welch Geistes Kind noch immer einige der britischen Eliten anhängen, wurde schon 2017 im Kontext von Meghan offen gelegt. Bei einem Dinner zu Ehren der damaligen Verlobten von Prinz Harry entschied sich die geladene Prinzessin Michael Kent von allen ihren zahlreichen Schmuckstücken ausgerechnet dazu, eine auffällige Mohrenfigur als Brosche zu tragen.