Zum Hauptinhalt springen

"Zombie-Politik" für den Balkan

Von Martyna Czarnowska

Politik

Die Staatschefs der südosteuropäischen Länder beraten über ihre EU-Annäherung. Doch die Erweiterung tritt auf der Stelle.


Nicht ganz tot, aber auch nicht wirklich lebendig: Seiner Seele beraubt streift ein Zombie durch die Gegend. Ein ähnliches Bild lässt sich für die Erweiterungspolitik der Europäischen Union verwenden. In der Theorie existiert diese: Es gibt genug Deklarationen, dass etwa die Länder Südosteuropas eine "europäische Perspektive" haben. Doch eine tatsächliche Aufnahme in die Gemeinschaft ist in weiter Ferne, und das Engagement für Beitrittsgespräche ist verschwindend gering. Die EU-Erweiterung wirkt wie ein Gespenst, das manchmal auf- und dann schnell wieder abtaucht.

Das Wort "Zombie-Politik" haben denn auch 256 Intellektuelle, Aktivisten und besorgte Bürger gewählt, die in einem offenen Brief Anfang des Monats den Westen zu mehr Unterstützung für den Balkan aufgerufen haben. Zu den Unterzeichnern gehören Wissenschafter, Künstler, ehemalige Politiker und Diplomaten aus Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, aber auch aus EU-Ländern.

Der Appell richtet sich an die Regierungen der USA, der EU und der Nato-Staaten, die "ethno-nationalistischen Tendenzen" zu verurteilen, die sich in den südosteuropäischen Ländern zu verstärken scheinen. Der Westen dürfe sich nicht mit dem "bürokratischen Autopiloten" begnügen, der jahrelang bei der EU-Annäherung zur Anwendung kam: Die Beitrittskandidaten seien zwar zur Einhaltung von liberalen demokratischen Regeln verpflichtet worden, das sei aber mit der Zeit zu einem Formalismus verkümmert. Dies würde zu einer Erweiterung führen, bei der bestehende nachbarschaftliche Konflikte ungelöst blieben.

Gefährliche Grenzziehungen

Eine Gelegenheit, diese Dispute anzusprechen, hätten die Staatschefs der Region am Montag. Da kommen sie in der slowenischen Stadt Brdo bei Kranj zu einem Gipfeltreffen im Rahmen des "Brdo-Brijuni-Prozesses" zusammen. Die Initiative haben Slowenien und Kroatien, mittlerweile EU-Mitglieder, vor zehn Jahren gestartet, um die südosteuropäischen Länder bei der EU-Annäherung zu unterstützen. Sloweniens Präsident Borut Pahor empfängt nun seine Amtskollegen aus Kroatien, Albanien, Montenegro, dem Kosovo, Nordmazedonien, Serbien und Bosnien-Herzegowina.

Offen ist, ob die Politiker dabei auch die Debatte um neue Grenzziehungen aufgreifen. Die hat nämlich vor einigen Wochen für Aufruhr in der Region gesorgt. Ein in der Öffentlichkeit aufgetauchtes Papier, dessen Urheberschaft unklar ist, plädiert für eine Neuordnung der Länder Südosteuropas: Bosnien-Herzegowina sollte aufgeteilt, Grenzen zwischen Kosovo und Albanien sollten verschoben werden. Es wäre ein gefährliches Vorhaben, an dem sich schnell wieder Konflikte entzünden können. Dementsprechend harsch waren die ablehnenden Reaktionen beispielsweise in Sarajevo, der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas.

Nordmazedonien wiederum richtet besorgte Blicke auf Sofia. Denn Bulgarien blockiert den Start von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien wegen eines Zwists um Sprache und Geschichte. Das Scheitern der Regierungsbildung in Sofia ändert nichts daran: Das nun ernannte Interimskabinett hält am Veto fest.

Wachsende Enttäuschung

Der Beginn der Gespräche mit Albanien und Nordmazedonien ist im Vorjahr in der EU vereinbart worden, doch ein Datum dafür gibt es noch nicht. Stattdessen wird nun darüber spekuliert, ob die beiden Länder nun im Annäherungsprozess voneinander getrennt werden sollen, also ob die Verhandlungen mit Albanien vorgezogen werden. Angefacht hat dies EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi mit einer Andeutung in einem Interview.

Diese Option gefällt allerdings nicht allen EU-Politikern. Bei Treffen mit ihren Amtskollegen diese Woche drangen etwa der deutsche Außenminister Heiko Maas und die österreichische Europaministerin Karoline Edtstadler auf den gleichzeitigen Beginn der Gespräche mit Albanien und Nordmazedonien. "Wenn wir nicht aufpassen, verlieren wir den Westbalkan", warnte Maas. In einem internen EU-Dokument mahnen auch Beamte: Die Enttäuschung in der Region über die zögerliche Haltung der EU werde immer größer.

Der slowenische Präsident Pahor sieht es daher als eine "geopolitische Notwendigkeit" an, den Erweiterungsprozess zu beschleunigen. Auch er plädiert vor dem Treffen mit seinen Amtskollegen für einen Gleichschritt bei der EU-Annäherung. Nur unter der Bedingung einer "relativ schnellen" Aufnahme aller südosteuropäischen Länder in die EU könne in der Region Frieden und Stabilität aufrecht erhalten werden.