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Beim Grünen Pass drängt die Zeit

Politik

Beim EU-Gipfel hofft man nach einer Einigung zwischen Ländern und Parlament auf den finalen Durchbruch bei der Regelung der Reisefreiheit. Aber auch das Flüchtlingsthema steht auf der Agenda.


Brüssel. Eineinhalb Jahre nach der Ankunft des Coronavirus in Europa lässt sich die aktuelle epidemologische Situation des Kontinents auch gut am Austragungsmodus der EU-Gipfeltreffen ablesen. Fanden die hochrangigen Gespräche am Höhepunkt der zweiten und dritten Welle nur per Videokonferenz statt, treffen sich die Staats- und Regierungschefs aufgrund der europaweit sinkenden Inzidenzwerte nun auch wieder von Angesicht zu Angesicht. Den Anfang machte vor knapp zwei Wochen der große Sozialgipfel in Porto, am kommenden Montag und Dienstag folgt mit dem Sondergipfel in Brüssel nun die nächste persönliche Zusammenkunft.

Auf der Agenda stehen diesmal neben dem weiteren Vorgehen in der Corona-Krise der Kampf gegen den Klimawandel und die angespannten Beziehungen sowohl zu Großbritannien wie auch zu Russland. Die Zeit drängt dabei vor allem beim Grünen Pass, denn die Urlaubssaison steht bereits unmittelbar vor der Tür und längst sind noch nicht alle Details für das grenzüberschreitende Reisen in Europa geklärt. Rechtzeitig vor dem Gipfel haben sich immerhin die EU-Länder und das EU-Parlament auf Details eines europaweiten Zertifikats zum Nachweis von Corona-Impfungen, -Tests und überstandenen Covid-19-Erkrankungen geeinigt. Das teilte die portugiesische Ratspräsidentschaft am Donnerstagabend in Brüssel mit. Damit wächst die Chance auf weitere Reiseerleichterungen in der EU. Portugal hat derzeit turnusgemäß den Vorsitz der EU-Länder inne.

Konsens herrscht derzeit darüber, dass im Grünen Pass Impfungen, Ergebnisse zugelassener Tests und Informationen zu überstandenen Infektionen festgehalten werden sollen, um den Bürgern damit möglichst reibungsloses Ferien im europäischen Ausland zu ermöglichen. Viele der 27 Mitgliedstaaten bestanden allerdings bis zuletzt auf ihrem Recht, beispielsweise eigene Quarantäneverordnungen zu erlassen oder selbst zu entscheiden, ob sie auch andere als die von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA zugelassenen Impfstoffe anerkennen. Und auch die technischen Probleme scheinen derzeit noch nicht vollständig aus dem Weg geräumt, etwa wenn es um die Ausstellung digitaler Impfzertifikate in den den niedergelassenen Arztpraxen geht. Europaministerin Karoline Edtstadler zeigte sich am Donnerstag aber dennoch "sehr zuversichtlich", dass es eine Einigung bei den Verordnungen zum Grünen Pass geben werde.

Italien hofft auf Hilfe

Nicht offiziell auf der Tagesordnung steht freilich ein Thema, das sich derzeit immer mehr in den Vordergrund drängt. Mit Beginn der warmen Zeit wagen auch immer mehr Flüchtlinge und Personen, die aus wirtschaftlichen Gründen in die EU wollen, wieder die Überfahrt über das Mittelmeer nach Europa oder versuchen - wie zu Beginn dieser Woche - über die spanischen Exklaven Melilla und Ceuta den Boden der Union zu betreten. Die Fronten sind beim Flüchtlingsthema allerdings die selben wie seit Jahren. Viele EU-Staaten weigern sich, Flüchtlinge verpflichtend aufzunehmen, die Mittelmeeranrainerstaaten wie Italien und Griechenland fühlen sich wiederum mit dem Problem alleingelassen.

Umso mehr versucht es die italienische Regierung daher derzeit mit Eigeninitiative, wie etwa mit dem Vorschlag eines neuen Anti-Schlepper-Paktes, in dessen Rahmen Libyen finanzielle Unterstützung für die stärkere Überwachung seiner Südgrenze bekommen soll. Die EU-Kommission plant zudem ein System zur freiwilligen Aufnahme von Migranten in der EU, um Italien zu entlasten. Es ist fundamental, dass Italien europäische Solidarität erhält", betonte Innenkommissarin Ylva Johansson in der Tageszeitung "La Repubblica".(rs)