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Europäische Staatsanwaltschaft nimmt ihre Arbeit auf

Von Andreas Lieb

Politik

Kampf gegen Bestechung, Unterschlagung und Betrug mit EU-Mitteln: Eine ebenso ersehnte wie umstrittene neue Einrichtung startet.


Der Weg war lang und dornenreich. Schon 2017 war eine neue EU-Einrichtung beschlossen worden, die den Kampf gegen Bestechung, Unterschlagung und Betrug mit EU-Geld intensivieren sollte, doch erst jetzt kann sie ihre Arbeit tatsächlich aufnehmen – und nicht alle EU-Länder sind mit dabei. Derzeit sind es 22, darunter Österreich. Die Europäische Staatsanwaltschaft EPPO mit Sitz in Luxemburg, wo auch der Europäische Gerichtshof und der Rechnungshof beheimatet sind, ist die erste übernationale Staatsanwaltschaft, die selbst strafrechtlich ermitteln kann. Am heutigen Dienstag nimmt sie offiziell ihre Arbeit auf.

Die Staatsanwaltschaft soll dafür sorgen, "dass kein Euro mehr durch Korruption oder Betrug verloren geht", wie es EU-Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova vergangene Woche ausdrückte. An der Spitze steht als Generalstaatsanwältin die Rumänin Laura Codruta Kövesi.

Schon um ihre Bestellung hatte es heftige Querelen gegeben, sie war in ihrem Heimatland wegen ihrer unerschrockenen Arbeit als Korruptionsjägerin vom Verfassungsgericht abgesetzt worden, und erst nach einem dem widersprechenden Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gaben die Rumänen klein bei. Sie mussten daraufhin sogar eine Reihe wesentlicher Rechtsänderungen umsetzen, mit denen die Unabhängigkeit der rumänischen Ankläger gefestigt wird.

Fünf Länder nicht dabei

Am neuen EU-System beteiligen sich Ungarn und Polen nicht, daneben fehlen derzeit auch noch Irland, Schweden und Dänemark. Zusätzlich war es erst vor wenigen Tagen in Slowenien zu einem Eklat gekommen. Laura Kövesi hat dem künftigen EU-Ratsvorsitzland vorgeworfen, ihre Arbeit zu behindern. Der Grund dafür: Die oberste EU-Korruptionsjägerin muss mit so genannten delegierten Staatsanwälten aus den EU-Ländern zusammenarbeiten. Slowenien hat der Luxemburger EU-Behörde aber bisher noch keine Ankläger vorgeschlagen.

Medienberichten zufolge stehen die zwei vom Justizministerium ausgewählten Kandidatinnen dem konservativen Ministerpräsidenten Janez Jansa, Vertrauter von Viktor Orban, nicht zu Gesicht. Als ihre Nominierung schließlich sogar annulliert wurde, trat die slowenische Justizministerin Lilijana Kozlovic von ihrem Amt zurück.

Als "Meilenstein für den europäischen Rechtsstaat" bezeichnen EU-Abgeordnete die neue EU-Behörde.
© Unsplash / Tingey Injury Law Firm

Österreich ist durch Ingrid Maschl-Clausen im Team vertreten. Nationale Unterstützung erhält sie laut Justizministerium von den delegierten Staatsanwälten Claudia Angermaier und Konrad Kmetic, die – wie Maschl-Clausen - von der Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft kommen.

Gestartet wird in Luxemburg mit rund 130 Mitarbeitern, zu denen im Lauf der Zeit noch einige dazukommen sollen, vor allem Finanzanalysten. Gerechnet wird mit rund 3.000 Fällen jährlich. Andres Ritter, deutscher Vertreter in der EU-Behörde, weist darauf hin, dass mit heutigem Tag die erste "supranationale Staatsanwaltschaft" ihren Dienst aufnimmt: "Wir sind ein Versprechen an Europas Bürger." Jeder Euro aus Steuergeld solle schließlich dort landen, wo er hingehört. Die EPPO wird eng mit der Anti-Betrugsbehörde Olaf zusammenarbeiten, die bisher damit zu kämpfen hatte, dass sie zwar oft Fälle von Korruption aufdecken konnte, die Strafverfolgung lag bisher aber ausschließlich bei den nationalen Behörden – wo dann Vieles wieder versandete.

So viel EU-Geld wie nie zuvor

Die neue Behörde, so sind EU-Abgeordnete aus verschiedenen Lagern einig, komme genau zur richtigen Zeit, denn nie zuvor hat die EU mit so viel Geld hantiert wie jetzt. Mehrjähriger Finanzrahmen und Corona-Paket kommen auf mehr als 1,8 Billionen Euro – und möglichst wenig von diesen enormen Summen soll an Gauner gehen. Katarina Barley, sozialdemokratische Vizepräsidentin des EU-Parlaments, meint: "Der Start der europäischen Staatsanwaltschaft ist ein lang ersehnter Meilenstein für den europäischen Rechtsstaat. Es ist bezeichnend, dass einige Mitgliedsländer wie Ungarn und Polen sich weigern, der europäischen Staatsanwaltschaft beizutreten. Auch Sloweniens Regierungschef Jansa versucht, die Staatsanwaltschaft schon vor dem Start zu sabotieren."

Monika Hohlmeier (EVP) findet, der Start komme keinen Tag zu spät, und auch sie nennt einen Namen: "Bei den immer weitreichenderen Verstrickungen des tschechischen Premiers Andrej Babis und geschätzt weiteren 3.000 Fällen pro Jahr bekommt die EU endlich das Werkzeug, das sie braucht, um das Geld der Steuerzahler zu schützen und Betrug, Missbrauch und Veruntreuung sowie Nichtverfolgung von Straftaten in einigen Mitgliedstaaten den Riegel vorzuschieben."

Eine Warnung kommt vom Grünen Sergey Lagodinsky: "Ausschlaggebend für den Erfolg der Behörde wird ihre Unabhängigkeit sein. Bei der Harmonisierung von Teilen der Strafverfolgung lauern allerdings auch Gefahren, denn nicht zuletzt Beschuldigtenrechte sind in den Mitgliedstaaten uneinheitlich geregelt." Wie bei anderen Bestrebungen zur Vereinheitlichung seien rechtsstaatliche Standards zu beachten.