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Abschiedsbesuch des Anti-Merkel

Politik

Sebastian Kurz trifft im Berliner Kanzleramt ein letztes Mal Angela Merkel. Ihr Verhältnis war stets unterkühlt.


Berlin. Als sich Sebastian Kurz am 15. Oktober 2017 als Wahlsieger feiern lässt, ist auch bei vielen deutschen Konservativen die Freude groß. Der jetzige Gesundheitsminister Jens Spahn ist sogar persönlich mit dabei und schickt via soziale Medien Fotos von der großen Party in Wien in alle Welt. Kurz gilt vor allem den Jungen in CDU und CSU als Hoffnungsträger und Wegbereiter für ein neues konservatives Modell, mit dem sich auch Wahlen überzeugend gewinnen lassen.

Spürbar weniger Begeisterung für den jungen österreichischen Regierungschef hatte es in den vergangenen Jahren dafür im Berliner Kanzleramt gegeben. Für Angela Merkel war Kurz in der Flüchtlingskrise zum Gegenspieler geworden, der die Kanzlerin in den deutschen Medien auch schon einmal bewusst auflaufen ließ und mit der Schließung der Balkan-Route dann tatsächlich zum "Anti-Merkel" wurde.

Substanziell verbessert hat sich das Verhältnis zwischen den beiden Politikern, die sich am heutigen Dienstag zu einem letzten Arbeitsbesuch in Berlin treffen werden, seither nicht. Im Streit um die Ausgestaltung des gigantischen EU-Corona-Hilfspakets hatte Kurz im Sommer 2020 gemeinsam mit den anderen Regierungschefs der "sparsamen Vier" Stimmung gegen den von Deutschland und Frankreich vorgelegten Vorschlag gemacht. Im heurigen Frühjahr gab es dann erneut eine Konfrontation, weil Kurz einige Länder bei der von der EU organisierten Impfstoffverteilung ungerecht behandelt sah.

Dass das Verhältnis zwischen Kurz und der nach 16 Jahren scheidenden deutschen Kanzlerin bis heute eher unterkühlt ist, zeigt auch die Besuchsdiplomatie der vergangenen Monate. So war Kurz seit Jahresbeginn zwei Mal in Berlin, ohne dass es zu einem Zusammentreffen mit Merkel kam - offiziell lag dies freilich an terminlichen Gründen.

Dass Merkel und Kurz bei ihrem Treffen irgendeine Form von Missstimmung nach außen tragen werden, gilt dennoch als ausgeschlossen. Merkel, die im Umgang mit anderen Politikern seit jeher vor allem pragmatisch agiert, ist nach der deutschen Bundestagswahl am 26. September wohl nur noch wenige Wochen im Amt, und auch die österreichische Seite hat bereits im Vorfeld den Ton für die Visite gesetzt. So wird in einer Mitteilung des Bundeskanzleramtes darauf verwiesen, dass Deutschland Österreichs "mit Abstand wichtigster Außenhandelspartner" und das wichtigste Herkunftsland für Investitionen und Touristen sei.

Konkret wollen sich Merkel und Kurz am Dienstag über die Hilfe in Afghanistan, den Klimaschutz und die Bekämpfung der Corona-Pandemie austauschen. Am Abend wird Kurz, der auf seiner Reise von Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer begleitet wird, dann im Rahmen des CDU-Wirtschaftstages mit der "Gedenkmünze Ludwig Erhard in Gold" des Wirtschaftsrates der CDU ausgezeichnet.(rs)