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"Nicht vom Himmel gefallen"

Von Walter Hämmerle aus Auschwitz

Politik
Bundespräsident Alexander Van der Bellen (3. von rechts) und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (5. von rechts) am Weg zur Kranzniederlegung
© Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Neue österreichische Länder-Ausstellung im KZ Auschwitz eröffnet.


Der Rassismus und Antisemitismus der Nationalsozialisten ist nicht vom Himmel gefallen. Die Konzentrations- und Vernichtungslager sind nicht vom Himmel gefallen. Auschwitz ist nicht vom Himmel gefallen." Mit diesen Worten eröffnete am Montag Bundespräsident Alexander Van der Bellen die neue österreichische Länderausstellung "Entfernung - Österreich und Auschwitz" auf dem Gelände des ehemaligen nationalsozialistischen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau.

Mit dem Staatsoberhaupt reisten zahlreiche Repräsentanten, darunter Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, Bundesratspräsident Peter Raggl, Außenminister Alexander Schallenberg, Gesundheitsminister Mückstein, Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck, Europaministerin Karoline Edtstadler und Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.

Der Neukonzeption der ursprünglichen österreichischen Ausstellung, die aus dem Jahr 1978 datiert und nicht mehr zum erinnerungspolitischen Selbstverständnis einer sich verändernden Zweiten Republik passte, ging ein langwieriger und jahrelanger Prozess voraus, der neben einem völlig neuen Zugang auch die umfassende Renovierung und Wiederannäherung an den ursprünglichen Charakter des Gebäudes umfasste. Nationalpräsident Sobotka formuliert die dem neuen Konzept zugrunde liegende Idee folgendermaßen: "Es ging darum, nachdem die ursprüngliche Ausstellung Österreich vor allem als ‚erstes Opfer des Nationalsozialismus‘ beschrieb, nun auch neben den Opfern auch die Täterseite von Österreichern in den Fokus zu rücken - und das nicht nur in Bezug auf Auschwitz, sondern in den größeren Zusammenhang des NS-Vernichtungsfeldzugs gesetzt."

Neue Blickwinkel

Die Herausforderung besteht darin, die Erinnerung an eine Geschichte wachzuhalten, deren nackte Zahlen schier unglaublich sind und deren erlebte Erinnerung im Schwinden begriffen ist. Zwischen 1,1 und 1,5 Millionen Menschen - die allermeisten davon Juden, aber auch Roma und Sinti, Homosexuelle und politisch Verfolgte - wurden allein in Auschwitz ermordet, insgesamt beträgt die Zahl der Holocaust-Opfer zwischen 1940 und 1945 zwischen 5,6 und 6,3 Millionen Jüdinnen und Juden. Unter Opfern wie Tätern finden sich auch zahlreiche Österreicher, auch wenn der Staat dieses Namens in dieser Zeit nicht existierte. Es dauerte Jahrzehnte, bis Staat und Gesellschaft diese so komplexe wie schmerzhafte Wirklichkeit annahmen, annehmen konnten.

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Die neue Ausstellung, die von einem wissenschaftlich-kuratorischen Team um Hannes Sulzenbacher und Albert Lichtblau sowie dem Architekten Martin Kohlbauer konzipiert und umgesetzt wurde, erzählt vom "Hier" der Opfer in Auschwitz, vom Widerstand und eben von den Tätern; das wird gespiegelt von der verlorenen Heimat, dem herausgerissenen Leben in Österreich - und der Leere, die ebendort zurückgelassen wurde. Ziel war, in den Worten Sulzenbachers, eben nicht eine umfassende Geschichte Österreichs in der NS-Zeit, weil es sich bei Auschwitz-Birkenau eben um eine Gedenkstätte für die Opfer und Opferländer handle (Deutschland hat deshalb bis heute keine eigene Länder-Ausstellung vor Ort).

Jede Generation muss sich die Erinnerung an ihre, an diese Geschichte neu erarbeiten, mit jeweils veränderten Blickwinkeln und Perspektiven. Entscheidend ist dabei, diese Erinnerung für die Gegenwart wirkmächtig zu halten. Das ist leichter gesagt als getan. Bald acht Jahrzehnte nach dem Holocaust hat sich das offizielle Österreich entschlossen, die Erinnerung in eine breitere Strategie im Kampf gegen den Antisemitismus einzubetten, wie Sobotka erläutert. Diese legt den Fokus auf die Gegenwart, etwa durch einen zweijährig erstellten Antisemitismus-Bericht, der auch dessen grassierende Häufung im Internet im Auge habe.