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Italiens Rechte geschwächt

Von Maximilian Spera

Politik

Bei den Kommunalwahlen konnten die Sozialdemokraten deutliche Gewinne einfahren. Roms Bürgermeisterin Raggi von der Fünf-Sterne-Bewegung wurde abgewählt.


Die Demoskopen sollten recht behalten, als sie Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi von der Fünf-Sterne-Bewegung nicht in der Stichwahl sahen. Sie wurde als Resultat ihrer vergangenen fünf Regierungsjahre auf den dritten Platz verwiesen. Die ursprünglich groß angekündigten Reformen vermochte sie nicht durchzusetzen.

Sie hinterlässt eine Stadt, die im Müll- und Verkehrschaos versinkt. Die durch Rom streunenden Wildschweine waren nur das letzte Fanal für die sich ankündigende Niederlage. Die Stichwahl, die in zwei Wochen stattfindet, entscheidet sich zwischen dem Kandidaten der rechten Fratelli d’Italia, Enrico Michetti, und Roberto Gualtieri vom sozialdemokratischen Partito Democratico. Letzterer gilt als Favorit für das Bürgermeisteramt.

Stärkung Draghis

Großer Wahlgewinner sind die Sozialdemokraten, die in einem Großteil der 1.300 Gemeinden dazugewinnen konnten. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Enrico Letta, sprach von einem "historischen Ergebnis" und sieht darin eine Stärkung der Regierung Mario Draghis, in der außer Frattelli d’Italia unter Giorgia Meloni alle Parteien vertreten sind.

Besonders in den großen Städten triumphierten Sozialdemokraten. In Mailand konnte Giuseppe Sala den Bürgermeistersessel erfolgreich verteidigen. Auch in Neapel sicherte sich der ehemalige Universitätsminister Gaetano Manfredi die Wiederwahl. Das gelang unter anderem mit Hilfe eines Wahlbündnisses mit der Fünf-Sterne-Bewegung. In Turin müssen der sozialdemokratische und Mitte-rechts-Kandidat in die Stichwahl.

Wahlverlierer ist die Rechte, die die Parteien Lega, Fratelli d’Italia und Forza Italia umfasst. Sie konnten ihre Regierungsfähigkeit in den Kommunen nicht unter Beweis stellen und wurden daher von den Wählern abgestraft.

Zwar konnten sich die rechten Kandidaten in Triest und bei den Regionalwahlen in Kalabrien durchsetzen. Außerdem wird schon der Einzug in die Stichwahl in Rom als Erfolg gewertet. In Mailand und Turin wurden die Erwartungen aber nicht erfüllt. Der Turiner Rechtskandidat Paolo Damilano kam auf lediglich 38,9 Prozent, kann aber immerhin zur Stichwahl antreten. Der Mailänder Luca Bernardo erreichte 32 Prozent und unterlag klar.

Nicht nur für die rechten Parteien insgesamt ist es eine Niederlage, sondern auch für Lega-Chef Matteo Salvini persönlich. Er war maßgeblich an der Auswahl gemeinsamer Kandidaten beteiligt. Die offensichtlichen Fehlgriffe Salvinis dürften den Konkurrenzkampf vor allem unter Lega und Fratelli d’Italia weiter befeuern. Zumal Letztere die Lega in Umfragen als landesweit stärkste Partei abgelöst hat.

Sex und Drogen

Nicht zuletzt wird Italiens Rechte derzeit von aufsehenerregenden Skandalen gebeutelt. Der Kommunikationschef von Matteo Salvini, Luca Morisi, wurde vor zwei Monaten bei einer Orgie mit männlichen Prostituierten erwischt, auch Drogen waren im Spiel. Die Staatsanwaltschaft in Verona hat Ermittlungen bereits aufgenommen. Daneben war Fratelli d‘Italia unter Parteichefin Meloni mit unangenehmen Vorwürfen konfrontiert. Im Zentrum standen Filmaufnahmen von Politikern, die sich über die Verheimlichung von Parteispenden unterhielten. Auch faschistische und antisemitische Äußerungen sollen dabei gefallen sein.

Das süditalienische Kalabrien, eine Region, wo sich die Linke traditionell schwertut, konnte erneut von der Rechten erobert werden. Roberto Occhiuto, bisheriger Fraktionschef von Forza Italia im italienischen Abgeordnetenhaus, gewann die Wahl für sich. Verantwortlich dafür ist die Kooperationsunwilligkeit der linken Parteien, die es nicht schafften, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen.

In einem Punkt sind sich alle Parteien einig, nämlich die Sorge über die geringe Wahlbeteiligung. Sie hat mit 54 Prozent einen historischen Tiefststand erreicht. Fratelli-d’Italia-Chefin Meloni sieht die Demokratie in der Krise, Matteo Salvini zieht Rückschlüsse auf seinen Wahlkampf, den er selbstkritisch als zu realitätsfremd bezeichnete.