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Tschechiens Piraten sind auf Kurs

Von Klaus Huhold

Politik

Anderswo in Europa gingen sie unter. In Tschechien aber gelang es den Piraten, sich zu etablieren.


Der Herr Doktor ist ein zugänglicher Politiker. Ivan Bartos, der Vorsitzende der tschechischen Piratenpartei, macht seine Turnübungen gerne in Prager Parkanlagen. Die Tschechen können den studierten Informatiker nun im Wahlkampf aber ebenso in diversen Fußgängerzonen antreffen, wo er auch schon einmal zu seinem Akkordeon greift und gemeinsam mit Passanten singt. Im Parlament wiederum spricht er mit ernster Miene davon, dass sich das Land anständige Politiker verdient hätte - und zielt damit auf Premier Andrej Babis ab.

Bartos ist ein unkonventioneller Politiker: Der 41-Jährige trägt Dreadlocks, spielte in einer Punkband, legte als DJ Trancemusik auf und ist gleichzeitig als bekennender Christ Mitglied der Hussitischen Kirche. Und genau so unkonventionell wie ihr Vorsitzender ist auch die Partei der Piraten.

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Begonnen haben sie als europaweite Basisbewegung junger Menschen, die vor allem für ein freies Internet kämpften. Aber während in vielen anderen europäischen Ländern die Piraten nach einem großen anfänglichen Schwung gänzlich untergegangen sind, gehört Tschechien mit Island und Luxemburg zu den Ländern, in denen die Piraten im Parlament vertreten sind. Im Abgeordnetenhaus in Prag sitzen 22 Piraten. Nach der diesjährigen Wahl, die am Freitag und Samstag stattfindet, könnte diese Zahl noch steigen. Umfragen sehen das Wahlbündnis von Piraten und der Bürgermeisterpartei Stan bei mehr als 17 Prozent der Stimmen.

Breite Basis, offene Bücher

Tschechiens Piraten hatten von Anfang an eine sehr breite Basis und haben sich - im Gegensatz zu manch europäischer Schwesterpartei - schnell professionalisiert. So werben sie nicht nur im Internet um Wähler, sondern betreiben auch klassischen Straßenwahlkampf.

Ihre Themen gehen dabei weit über Netzpolitik hinaus - und reichen vom leistbaren Wohnen bis zur Transparenz. Die Piraten unterstreichen dabei ihren eigenen Anspruch, indem sie ihre eigenen Finanzen auf ihrer Homepage offenlegen.

Der Unmut über die Korruption und die einstigen Großparteien hat den Piraten auch einen kräftigen Schub gegeben, als sie vor vier Jahren ins Parlament einzogen. Nach zahlreichen Skandalen der Sozialdemokraten (CSSD) und der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) wollten die Wähler neue Gesichter und Bewegungen. Die Piraten nutzten dieses Vakuum und haben es geschafft, sich zu etablieren.

"Die Piraten sind in Städten und bei jungen Wählern sehr stark", sagt der Politologe Jiri Pehe von der New York University in Prag, wo die Piraten auch den Bürgermeister stellen. "Und weil es im tschechischen Parlament keine Grünen gibt, nehmen sie auch deren Rolle ein und thematisieren Umweltschutz und Klimawandel."

Massive Angriffe von Babis

Dass die Piraten für die Wahl ein Bündnis mit der Bürgermeisterpartei Stan eingegangen sind, macht durchaus Sinn. Beide Bewegungen wollen sich von der etablierten Politik abheben. Und Stan ist genau dort stark, wo die Piraten Schwächen haben: bei älteren Wählern und in ländlichen Gemeinden.

Premierminister Babis greift die Piraten mittlerweile massiv an. Der Milliardär, der der der von ihm gegründeten Partei ANO vorsteht, warnt vor einem "multikulturellen und ökofanatischen Piratenstaat", und verkündet, dass die Piraten Migranten in Wohnungen und Wochenendhäuschen zwangseinquartieren wollen.

Das ist freilich Panikmache und unwahr. Gleichzeitig können die Piraten dies auch als Auszeichnung auffassen. Sie haben sich derart etabliert, dass der Premier offenbar eine Gefahr in ihnen sieht.