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Finanzielle statt politischer EU-Versprechen an den Westbalkan

Von Martyna Czarnowska aus Brdo pri Kranju

Politik

Bei einem Gipfeltreffen bleiben die Mitgliedstaaten beim Thema Erweiterung vage. Ein Investitionsplan soll Südosteuropa aber motivieren.


EU-Erweiterung nur unter Bedingungen: Es ist nichts Unbekanntes, was die Beitrittswerber in Südosteuropa von den EU-Mitgliedern zu hören bekommen haben. Bereits im Sommer 2003 wurde den Westbalkan-Staaten eine "europäische Perspektive" zugesichert, was aber die EU-Länder im Herbst 2021 nicht daran hinderte, ein tagelanges Tauziehen über das Wort "Erweiterung" zu veranstalten. Dieses fand dann doch Eingang in die Schlusserklärung des EU-Westbalkan-Gipfels, der am Mittwoch über eine im Regen versinkende Bühne in Brdo pri Kranju ging.

Zum Abschluss gab es also ein Bekenntnis zum Prozess, aber mit dem Zusatz, dass Entscheidungen auf Grundlage glaubwürdiger Reformen, fairer und strikter Bedingungen und eigener Leistungen der Kandidaten gefällt werden. Skeptischen Ländern wie Frankreich ist es außerdem ein Anliegen, dass Reformen innerhalb der Union Vorrang vor deren Vergrößerung haben.

Konkreteres erhielten Albanien, Bosnien-Herzegowina, der Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien beim Spitzentreffen nicht - auch keinen Zeitplan, für dessen Festlegung das Gastgeber- und derzeitige EU-Vorsitzland Slowenien plädiert hatte. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte lediglich ein paar ermunternde Worte parat: "Jetzt Kurs halten, weitermachen, nicht aufgeben."

Das mag für Nordmazedonien wie Hohn klingen. Das Land hat seinen Namen und seine Verfassung geändert, um einen Streit mit Griechenland auszuräumen. Nun blockiert Bulgarien den Start von Beitrittsgesprächen. Aber auch Albaniens Premierminister Edi Rama bringt seit längerem seinen Unmut über die zögerliche Haltung der EU zum Ausdruck. Erst mit Serbien und Montenegro hat die Union Verhandlungen um eine Aufnahme gestartet.

Von solchen ist der Kosovo wiederum noch weit entfernt: Seine Bürger warten außerdem noch immer auf Visafreiheit bei Reisen in die EU. Das sei schlicht ungerecht, stellte Ministerpräsident Albin Kurti am Rande des Gipfels fest. Trotzdem appellierte er, den Annäherungsprozess fortzusetzen - ohne Ängste in der EU und ohne Bitterkeit in den Westbalkan-Staaten.

Die Frustration in der Region ist aber groß, und wie sehr sie EU-Finanzhilfe lindern kann, ist offen. Ökonomische Unterstützung soll es jedenfalls über einen Wirtschafts- und Investitionsplan geben. Für die kommenden sieben Jahre schlägt die Kommission Zuschüsse in Höhe von bis zu neun Milliarden Euro vor, die unter anderem für Digitalisierung, den Ausbau von Infrastruktur und von grünen Energiequellen verwendet werden sollen. Sie sollen, unter anderem über neue Garantien, weiteres Geld mobilisieren: bis zu 30 Milliarden Euro.

Wichtigster Handelspartner

Schon jetzt ist die EU der mit Abstand bedeutendste Handels- und Investitionspartner für die Region: Diese wickelt mehr als zwei Drittel ihres Handels mit der Union ab. Mehr als drei Milliarden Euro an Direktinvestitionen flossen im Vorjahr aus der EU in die südosteuropäischen Länder.

Die Strategie der EU beruht darauf, die Wirtschaft anzukurbeln und dabei die regionale ökonomische Integration zu fördern. Nach Ansicht mancher Experten hat sie jedoch bisher nicht die erhofften Erfolge gezeitigt.

So zeuge auch der EU-Investitionsplan von "Zweckoptimismus", meint Richard Grieveson vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Der Co-Autor einer entsprechenden Studie mit der Bertelsmann Stiftung betont, dass das Wirtschaftspaket "an der deplorablen ökonomischen Situation am Westbalkan" wenig ändern werde. Noch immer hinken die sechs Staaten den ost- und südosteuropäischen EU-Mitgliedern wirtschaftlich weit hinterher, obwohl etwa die regionale Integration zugenommen hat. "Das Bruttoinlandsprodukt der Region ist nach wie vor sehr niedrig - insgesamt etwa so hoch wie jenes der Slowakei. Die potenziellen Gewinne aus einem verstärkten regionalen Handel haben sich also kaum materialisiert", analysiert Grieveson.