Am Ende wurde die tschechische Parlamentswahl doch noch zu einem echten Kopf-an-Kopf-Rennen - das schließlich die Opposition für sich entschieden hat. Die liberalpopulistische Bewegung ANO des Premiers und Milliardärs Andrej Babis, die zunächst mit knapp 5 Prozentpunkten nicht weit, aber doch in Führung lag, büßte im Verlauf des Samstagnachmittags (die letzten Wahllokale schlossen um 14 Uhr) immer mehr von ihrem Vorsprung ein und wurde auf den letzten Metern sogar noch überholt. 

Die ANO lag am Ende bei 27,5 Prozent und damit ganz knapp hinter dem oppositionellen liberal-konservativen Wahlbündnis Spolu (Gemeinsam) aus der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), der christdemokratischen Volkspartei (KDU-CSL) und der bürgerlich-liberalen TOP 09 mit 27,8 Prozent. Für das oppositionelle Wahlbündnis der linksliberalen Piraten und der konservativen Bürgermeisterpartei (STAN) zeichnen sich aktuell 15,6 Prozent ab. 

Mit knapp 9,6 Prozent kann die rechtspopulistische und islamfeindliche Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) von Tomio Okamura rechnen. Die mitregierenden Sozialdemokraten (CSSD) haben den Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus ebenso wenig geschafft wie die neue Partei Prisaha (Schwur) des ehemaligen Elitepolizisten Robert Slachta, sowie die Kommunisten (KSCM), die das bisherige Minderheitskabinett von ANO und CSSD unterstützen.

Wer wird nun die Regierungsverhandlungen führen?

Nach aktuellem Stand hätten die beiden Oppositionsbündnisse mit 108 Mandaten eine knappe Mehrheit im 200 Sitze fassenden tschechischen Unterhaus. Premier Babis hat seine Wahlniederlage bereits eingestanden, allerdings klargestellt, dass er Regierungsgespräche führen werde, wenn ihn Staatspräsident Milos Zeman damit beauftragen sollte. Dieser hatte vor der Wahl erklärt, er werde den Kandidaten der stärksten Partei mit der Regierungsbildung beauftragen und nicht jenen des stärksten Wahlbündnisses. Zeman gilt schließlich als Verbündeter von Babis. Auch der Ehrenvorsitzende der TOP 09, Karel Schwarzenberg, meinte am Samstag, Zeman werde den Auftrag bestimmt Babis erteilen und "versuchen, ihn bis zum Ende seiner Präsidentenamtsperiode zu halten". Zeman sei geschickt, so Schwarzenberg. "Er interpretiert die Verfassung, wie es ihm passt."

Allerdings hat Babis wenige Optionen für eine neue Regierung. Denn selbst wenn sein bisheriger Regierungspartner es ins Parlament schaffen sollte - von einer Mehrheit wäre die bisherige Koalition weit entfernt.

Spekulationen um Präsident Zeman

Bei der zweitätigen Wahl gaben die meisten Spitzenpolitiker bereits am Freitag ihre Stimmen ab. Regierungschef Babis sprach bei der Abgabe seines Wahlzettels im nordböhmischen Lovosice (Lobositz) von der "wichtigsten Parlamentswahl in der Geschichte Tschechiens". Seine Regierung sei erfolgreich gewesen, und jetzt gehe es darum, ob sie fortgesetzt werde oder ob die "Fünf-Koalition gewinnt, die mich aus der Politik vertreiben will", so Babis. Mit der "Fünf-Koalition" meinte Babis die beiden oppositionelle Wahlbündnisse.

Präsident Zeman wählte ebenfalls bereits am Freitagnachmittag in seiner Residenz auf Schloss Lany bei Prag. Ein Wahlausschuss kam dafür in Zemans Residenz. Sein Sprecher Jiri Ovcacek veröffentlichte am Nachmittag im Kurznachrichtendienst Twitter mehrere Fotos der Stimmabgabe des Staatsoberhaupts.

Zemans Gesundheitszustand sorgt derzeit erneut für Spekulationen in den Medien. Sein Arzt habe ihn diese Woche ins Krankenhaus einliefern lassen wollen, Zeman habe dies jedoch abgelehnt, hieß es. Das Präsidialamt dementierte erneut jegliche ernsthafte gesundheitliche Probleme Zemans. Zugleich wurde ein für Sonntag geplanter TV-Auftritt des Präsidenten aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Nach offiziellen Angaben leidet Zeman an Diabetes und einer Erkrankung des peripheren Nervensystems. Er nutzt bei öffentlichen Auftritten seit langem einen Rollstuhl.

Überschattet wurden die letzten Tage vor der Wahl von Enthüllungen der sogenannten "Pandora Papers" über Geschäfte von Regierungschef Babis. Laut den Veröffentlichungen eines internationalen investigativen Journalisten-Netzwerkes soll Babis 2009 mehrere Immobilien in Südfrankreich für 15 Millionen Euro gekauft haben. Die Transaktion soll über ausländische Briefkastenfirmen abgewickelt worden sein, was laut Kritikern die Frage aufwirft, ob dabei nicht Geldwäsche und Steuerhinterziehungen begangen wurde. (apa/reuters)