Zum Hauptinhalt springen

Tschechiens Wahlsieger hat Premiersamt nicht sicher

Von Klaus Huhold

Politik

Petr Fiala hat Mehrheit, aber seine Zukunft ist unsicher. Auch wegen des erkrankten Präsidenten Zeman.


Dass Präsident Milos Zeman nicht den gesündesten Lebensstil pflegt, ist in Tschechien allgemein bekannt: Der 77-Jährige war lange Zeit Kettenraucher, und dass er selber gerne das eine oder andere Gläschen trinkt, hat der einstige Sozialdemokrat nie verheimlicht - vielmehr spielte der Mann, der viel von seinem poltischen Erfolg dem Talent verdankt, ganze Gasthäuser unterhalten zu können, immer mit diesem Image. "Alkoholiker ist nicht jener, der Alkohol trinkt, sondern jener, der nicht zu trinken weiß", ist ein bekanntes Zitat von ihm. Nun hat Zeman aber offenbar, so drückte es zumindest Ex-Präsident Vaclav Klaus aus, sein Lebensstil eingeholt.

Denn in den vergangenen Tagen hat sich der Gesundheitszustand von Zeman, der schon länger zuckerkrank ist, dramatisch verschlechtert: Das Staatsoberhaupt liegt seit Sonntag in der Intensivstation des Militärkrankenhauses in Prag. Der genau Grund für die Einlieferung wurde mit Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht nicht bekanntgegeben. Zeman befindet sich aber nach Einschätzung seiner Ärzte in einem stabilisierten Zustand. Sein Sprecher erklärte, dass der Präsident jetzt vor allem Ruhe brauche und weiterhin amtsfähig sei.

ANO-Chef Babis will weiter Premier bleiben

Damit gerät auch die tschechische Politik in einen unsicheren Zustand. Das 10-Millionen-Einwohner-Land hat nämlich ein neues Parlament gewählt, und der Präsident muss laut Verfassung den nächsten Premier ernennen. Das kommt in Tschechien dem Auftrag zur Bildung einer Regierung gleich. Denn sein Kabinett muss der vom Präsident ernannte Premier erst später zur Abstimmung bringen. Nun fragt sich ganz Tschechien, wann und wem Zeman den Regierungsauftrag überreichen wird.

Denn Zeman kommt hier nicht nur formal eine Schlüsselrolle zu. Er selbst hat immer gemeint, dass er ein aktiver Präsident sei, er hat das immer wieder bewiesen und auch schon vor der Wahl aufhorchen lassen: Zeman hat nämlich angekündigt, dass er dem Vorsitzenden der stärksten Partei den Regierungsauftrag erteilen wird. Das ist insofern bemerkenswert, weil bei diesem Urnengang auch zwei Wahlbündnisse angetreten sind. Eines davon hat mit 27,8 Prozent die meisten Stimmen erhalten - nämlich das konservative Bündnis "Gemeinsam", das aus den Bürgerdemokraten (ODS), der Partei Top 09 und den Christdemokraten (KDU-CSL) besteht.

Bereits wenige Stunden nach der Wahl hat Gemeinsam eine schriftliche Übereinkunft präsentiert, die man mit dem liberalen Bündnis aus Piraten und der Bürgermeisterpartei Stan getroffen hat. Demnach wollen die beiden Blöcke gemeinsam eine Regierung bilden. Sie haben dafür auch genügend Mandate, nämlich 108 von 200.

Die stärkste Einzelpartei wurde aber die Bewegung ANO des amtierenden Premiers Andrej Babis mit 27,1 Prozent der Stimmen. Und auch der Milliardär, der einst den Konzern Agrofert gründete, reklamiert den Regierungsauftrag für sich. Zeman gilt als politischer Verbündeter von Babis und die beiden haben am Sonntag noch ein 45-minütiges Gespräch geführt, bevor Zeman ins Spital eingeliefert werden musste.

In Tschechien wird daher fix damit gerechnet, dass Zeman zunächst Babis den Regierungsauftrag erteilen wird. Zu einer Koalition mit ANO ist aber bisher nur die SPD bereit. Die vom Halbjapaner Tomio Okamura angeführte Partei steht am äußersten rechten Rand, bezeichnet etwa Sozialhilfeempfänger als Parasiten und spielt damit auf die Roma im Land an.

Babis braucht aber noch einen weiteren Partner - und hat schon angekündigt, mit Gemeinsam sprechen zu wollen. Doch weder das Bündnis als Ganzes noch eine einzelne Partei aus dem Block hätten viel zu gewinnen, wenn sie plötzlich mit Babis zusammenarbeiten. Vielmehr würden sie massiv an Glaubwürdigkeit verlieren, hatten sie sich doch als Gegenmodell zum Premier präsentiert, dem immer wieder eine Vermengung seiner geschäftlichen und politischen Interessen vorgeworfen wird.

Das gilt allen voran für den Spitzenkandidaten von Gemeinsam, den ODS-Parteichef Petr Fiala. Der Politologe und Universitätsprofessor hob sich mit seinem kompromissbereiten Stil vom oft polternden und polarisierenden Babis ab. "Diese Wahl ist ein Sieg einer ehrlichen und werteorientierten Politik", betonte Fiala auch nach seinem Erfolg.

Nicht klar, ob Zeman sein Amt ausführen kann

Er wäre der logische nächste Premier - wenn Zeman mitspielt. Der Ehrenvorsitzende von TOP 09, Karel Schwarzenberg, glaubt aber, dass Zeman genau das Gegenteil machen und Babis im Amt halten wird, bis Zemans eigene Präsidentschaft im Jahr 2023 endet. "Er ist geschickt. Er interpretiert die Verfassung, wie es ihm passt", betonte Schwarzenberg. Er spielte damit darauf an, dass offenbar keine zeitliche Grenze für die Bildung einer Regierung vorgegeben ist. Somit könnte Zeman Babis beauftragen und dem ANO-Chef alle Zeit der Welt geben, Koalitionspartner zu finden. Einstweilen bleibt das bisherige Kabinett übergangsweise im Amt.

Zeman ist aber unberechenbar. Es kann auch gut sein, dass er aufgrund der klaren Mehrheitsverhältnisse noch umschwenkt und Fiala zum Premier macht.

Dann bleibt noch die Möglichkeit, dass Zeman gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, sein Amt auszuführen. In diesem Fall obliegt die Vollmacht zur Ernennung des Premiers und der Regierung dem Chef des Abgeordnetenhauses. Im Moment wäre das mit dem ANO-Politiker Radek Vondracek ein Mann von Babis. Doch sobald die Abgeordneten der nun gewählten Volksvertretung zusammentreten, werden sie einen neuen Vorsitzenden bestimmen. Dieser wird bei den nunmehrigen Mehrheitsverhältnissen wohl aus dem Gemeinsam-Bündnis kommen. Damit wäre der Weg für Fiala zum Premiersamt frei.