Prag. Das Regierungsprogramm steht - doch der offizielle Auftrag zur Bildung der entsprechenden Regierung steht noch aus. Die Sieger der Parlamentswahl in Tschechien vor gut drei Wochen haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Die Verhandlungen der fünf Parteien seien erfolgreich verlaufen, erklärte der Vorsitzende der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) und wohl künftige Ministerpräsident Petr Fiala.

Wann das Mitte-rechts-Kabinett seine Arbeit aufnehmen kann, ist allerdings offen. Dafür müsste Staatspräsident Milos Zeman zunächst einmal einen Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Er liegt aber seit Wochen im Krankenhaus. Und Premier Andrej Babis bleibt vorläufig im Amt. Mit dem baldigen Gang in die Opposition dürfte der Milliardär sich jedoch bereits abgefunden haben. Für die künftige Regierung wiederum bedeutet das wohl so manches politische Störmanöver.

Das Kabinett um Fiala wird sich unter anderem mit höherer Inflation, gestiegenen Energiepreisen und der Coronavirus-Pandemie befassen müssen. Was hingegen nicht auf der Agenda steht, ist die Einführung des Euro. Zwar befürworten alle fünf Parteien, die die neue Regierung bilden wollen, einen Euro-Beitritt grundsätzlich. Die größte von ihnen, die ODS, steht dem aber am reserviertesten gegenüber.

Geplant ist jedoch die Einrichtung eines Europaministeriums. Das könnte nicht zuletzt der Vorbereitung auf den EU-Vorsitz dienen, den Tschechien im zweiten Halbjahr 2022 übernimmt.

Pragmatischer EU-Kurs

Generell gehen Experten von der Fortsetzung eines pragmatischen EU-Kurses aus, den Prag trotz teils scharfer Töne von Premier Babis in den vergangenen Jahren verfolgt hat. Doch gibt es in der künftigen Koalition durchaus Meinungsunterschiede zur Entwicklung der Europäischen Union. Die liberale Gruppierung TOP 09 und die Piratenpartei beispielsweise haben da andere Ansichten als die ODS. "Auch wenn die ODS gerade unter der Führung Petr Fialas viele ihrer europaskeptischen Kanten abgeschliffen hat und der harte EU-kritische Flügel geschrumpft ist, so ist der Kern der Partei weiterhin kritisch gegenüber der Idee einer sich stetig fortentwickelnden europäischen Integration", analysiert Kai-Olaf Lang von der in Berlin ansässigen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Eine Neuorientierung in der Migrations- oder der Klimapolitik sei jedenfalls nicht zu erwarten - nicht nur wegen der Haltung der ODS, sondern auch deswegen, weil bei wichtigen europäischen Politikfeldern Einvernehmen in weiten Teilen der rechten Mitte herrsche. Tschechien werde daher weiter gegen eine verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen sein sowie weiterhin auf Atomkraft setzen.

Präsident Babis?

Die Ära Babis neigt sich unterdessen dem Ende zu. Allerdings kann der Noch-Premier mit seiner populistischen Partei ANO auch auf der Oppositionsbank Präsenz zeigen - wenn er auch in seinem Wirken durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Korruption gehemmt werden könnte, wie SWP-Experte Lang schreibt.

Babis könnte aber auf alle Fälle die Zeit nutzen, seine Präsidentschaftskandidatur vorzubereiten. Ambitionen auf den Posten des Staatsoberhaupts dürfte er nämlich haben. Ob Zeman seine zweite Amtsperiode bis zum Frühling 2023 zu Ende bringen kann, ist unklar.(czar/reuters)