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"Bitte mehr Rücksicht"

Von Walter Hämmerle

Politik

Wie die Österreicher über die Deutschen denken und was sie sich von den Nachbarn erwarten.


Die meisten Ausländer in Österreich sind Deutsche, und das hört man auch. Anfang 2021 lebten 209.000 Menschen aus dem nördlichen Nachbarland in der Alpenrepublik (dahinter folgen Rumänen und Serben). Das Verhältnis zwischen Österreichern und Deutschen ist von Mythen, Gefühlen und Geschichte überwuchert; aus diesem Grund wollte es Ralf Beste, der umtriebige deutsche Botschafter in Wien, der für die "Wiener Zeitung" auch als Kolumnist tätig ist, ganz genau wissen, wie die Österreicher über "die Deutschen" denken und warum.

Das ist auch deshalb relevant, weil das Verhältnis der beiden Nachbarländer aus österreichischer Sicht von überragender Bedeutung ist. Deutschland mit seinen 83 Millionen Einwohnern ist für Österreich nicht nur der mit Abstand wichtigste Wirtschaftspartner und darüber hinaus ein zentraler kultureller Bezugspunkt, sondern zudem die eminente EU-Führungsmacht.

Von daher interessiert besonders die Dynamik im Blick auf die Deutschen. Grundsätzlich kann das Verhältnis der Österreicher zu den Deutschen als gut, aber ausbaufähig bezeichnet werden. Fast jeder Zweite ist der Ansicht, Deutschland und die Deutschen hätten sich in den letzten Jahren verändert: zum Positiven sagen davon 20 Prozent, zum Negativen fast 60 Prozent.

Deutschlands Stellung in der EU für 40 Prozent zu stark

Einmal mehr ambivalent stellt sich das Verhältnis mit Blick auf Europa dar. Fast jeder Zweite ist der Ansicht, dass Österreich mit Deutschland die meisten Interessen teilt (Italien, Schweiz folgen mit deutlichem Abstand), gut jeder Dritte fühlt sich dem Nachbarn auch emotional am stärksten verbunden. Trotzdem erachten 40 Prozent die Stellung Deutschlands in der EU als zu stark, wobei 60 Prozent Berlin als Bestimmer beziehungsweise Antreiber und 50 Prozent immerhin auch als Moderator bei Konflikten einschätzen.

Schlüssig ist dagegen der Wunsch von fast 80 Prozent der Österreicher, Deutschland möge auf die Interessen kleinerer EU-Staaten besser achten, "nur" 63 Prozent finden, Berlin solle öfter auf Österreich hören. Umgekehrt fühlen sich die Alpenrepublikaner weit weniger den Anliegen Deutschlands oder anderer kleiner Länder verpflichtet. Am Ende ist sich eben meistens jeder selbst der Nächste.