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Die SPD als Null-Problem-Partei

Von Ronald Schönhuber

Politik

Jahrelang ging es für die SPD nur noch bergab. Doch mit Olaf Scholz, der am Mittwoch im Bundestag zum Kanzler gewählt werden soll, scheint die oft so zerstrittene Partei zumindest kurzfristig ihren Frieden gefunden zu haben.


Wie es sich anfühlt, wenn es nicht läuft, hatte man in den vergangenen Jahren des Öfteren erleben müssen: 2017 folgte auf den scheinbar kometenhaften Aufstieg von Kanzlerkandidat Martin Schulz die harte Landung als 20-Prozent-Partei, die auch in den folgenden Jahren nicht und nicht aus der Krise kommen wollte. Als Groko-Juniorpartner wurde die ohnehin schon erodierende SPD noch weiter abgeschliffen, die auch als Ausweg gedachte Nachfolger-Suche für die glücklose Kurzzeit-Chefin Andrea Nahles brachte mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ein Führungsduo hervor, das weder den Zuspruch der Wähler fand, noch für die notwendige Einigkeit in der Partei sorgte. Zu Jahresbeginn 2021 lag die SPD in den Umfragen schließlich bei 15 Prozent.

Doch mittlerweile dominiert bei den Sozialdemokraten ein anderes, so schmerzlich vermisstes Gefühl: Es läuft. Und zwar teilweise so, dass sich selbst das SPD-Spitzenpersonal mitunter schon wundert. "Die Zustimmung war übergroß", sagte etwa Fraktionsvize Matthias Miersch, nachdem in den vergangenen Tagen viele SPD-Ortsverbände über den Ampel-Koalitionsvertrag mit Grünen und FDP diskutiert hatten, der Nachrichtenagentur Reuters.

Ähnlich positiv war auch die Resonanz beim SPD-Sonderparteitag am Wochenende gewesen. Knapp 98,8 Prozent der Delegierten stimmten für die Arbeitsvereinbarung mit Grünen und FDP und legten damit einen der letzten Puzzlesteine, damit Wahlsieger Olaf Scholz am Mittwoch im Bundestag zum ersten SPD-Kanzler seit Gerhard Schröder gewählt werden kann. Selbst das Personalpaket, mit dem der frühere Juso-Chef und einstige leidenschaftliche Scholz-Kritiker Kevin Kühnert zum Generalsekretär aufsteigt, wurde ohne Streit und Murren beschlossen. Flügelkämpfe in der SPD, das war einmal.

GroKo als Zwangsehe

Dass Ruhe in die SPD eingekehrt ist, hat wohl zuallererst mit dem Wahlsieg von Scholz im September zu tun. Nach acht Jahren in der von vielen als Zwangsehe empfundenen großen Koalition ist die SPD nun nicht nur endlich wieder Kanzlerpartei, mit der Ampel-Koalition führt sie auch ein Bündnis an, in dem sie nach Ansicht vieler SPD-Mitglieder deutlich mehr Gestaltungsspielraum hat als im Gespann mit der Union. "Die Erleichterung über das Ende der großen Koalition ist überwältigend", sagt Partei-Vize Miersch.

Der Ampel-Koalitionsvertrag bedeutet für die Sozialdemokraten in vielen Punkten aber auch einen inhaltlichen Burgfrieden. Statt der Hartz-IV-Regelung, die seit ihrer Einführung durch die Regierung Schröder für erbitterte Debatten gesorgt hat, steht nun im Arbeitsübereinkommen ein Bürgergeld, das von einer Kindergrundsicherung flankiert wird. Und mit der Einführung eines Mindestlohns von 12 Euro hat die SPD nicht nur ein soziapolitisches Instrument von enormer Breitenwirkung geschaffen. Der Mindestlohn als gemeinsames großes Ziel aller in der Partei scheint auch geeignet, die traditionellen internen Debatten über das richtige Maß der Umverteilung für eine ganze Weile zu entschärfen.

Für jede Partei etwas

Neue Harmonie gibt es aber nicht nur in der SPD. Olaf Scholz, der am Montag auch die noch ausständige Liste der SPD-Minister präsentiert hat, war es in den vergangenen Wochen auch gelungen, sich als Moderator zu positionieren, der die oft divergierenden Wünsche der Ampel-Parteien doch noch unter einen Hut bringt. So darf Grün nun als Klimaschutz-Motor auftreten, die FDP als Wahrerin einer soliden Haushaltspolitik und die SPD als starke Stimme des sozialen Ausgleichs.

Der große Realitätstest des "Es läuft" dürfte aber sowohl für die SPD wie auch für die anderen Ampel-Parteien früher bevorstehen, als allen Beteiligten das lieb ist. Denn während bis zur nächsten Umverteilungsdebatte oder dem vorgezogenen Kohleausstieg noch Zeit bleibt, duldet ein anderes Thema keinen Aufschub. Bereits in dieser Woche soll über eine weitere Verschärfung der Corona-Maßnahmen beraten werden.