Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte schon vergangene Woche grünes Licht gegeben. Mit der am vergangenen Freitag erteilten Notfallzulassung kann der vom US-Unternehmen Novavax entwickelte Impfstoff nun im Rahmen der Covax-Initiative an ärmere Länder verteilt werden, sobald das Serum Institute of India genügend Dosen für die Erstbelieferung produziert hat. Das Vakzin mit dem Handelsnamen Nuvaxovid gilt vor allem für die Staaten des globalen Südens, in denen oft noch nicht einmal zehn Prozent der Menschen gegen das Coronavirus geimpft sind, als Hoffnungsträger.
Denn im Rahmen der sich für eine gerechtere globale Impfstoffverteilung einsetzenden Covax-Allianz bekommen einkommensschwache Länder den Novavax-Impfstoff nicht nur zu einem deutlich reduzierten Preis oder sogar umsonst. Nuvaxovid ist vor allem auch in Regionen mit schlecht ausgebauter Infrastruktur wesentlich einfacher zu verteilen. So reicht für die Lagerung schon ein handelsüblicher Kühlschrank mit einer Temperatur von 2 bis 8 Grad, die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna benötigen dagegen spezielle Kühlmethoden und zumindest minus 70 Grad.
Methodische Unterschiede
Als zumindest kleiner Hoffnungsträger gilt der Novavax-Impfstoff allerdings auch in Europa, wo die Europäische Arzneimittelbehörde EMA am Montag ebenfalls eine bedingte Zulassung für Personen über 18 Jahren erteilt hat. Denn vor allem für die Menschen, die die bisher auf den Markt gekommenen mRNA-Impfstoffe oder die Vektorimpfstoffe von AstraZeneca oder Johnson&Johnson abgelehnt haben, könnte das mittlerweile fünfte in der EU zugelassene Vakzin ein Ausweg oder eine Hintertür sein. Man wolle noch auf Novavax warten, war nicht zuletzt in empirischen Umfragen eine häufige genannte Antwort auf die Frage, warum sich jemand bisher noch nicht hat impfen lassen.
Triftigstes Argument ist für die Novavax-Befürworter dabei die Herstellung nach einem klassischen Verfahren. So enthält Nuvaxovid, das oft fälschlicherweise als Totimpfstoff bezeichnet wird, tatsächlich aber ein rekombinanter Proteinimpfstoff ist, virusähnliche Partikeln, die das Spike-Protein des Coronavirus enthalten. Die Proteine, die bei der Herstellung zunächst massenhaft in Insektenzellen reproduziert werden, werden vom menschlichen Körper als Bedrohung erkannt und das Immunsystem wird hochgefahren – spezifische Antikörper und T-Zellen werden gebildet.
Die hochwirksamen und mittlerweile milliardenfach ohne größere Nebenwirkungen verimpften mRNA-Präparate funktionieren dagegen anders. Hier werden Körperzellen mit Hilfe von Erbgutschnipseln angeregt, selbst das Spike-Protein herzustellen, um eine Immunantwort auszulösen (siehe auch Grafik).
Unklarheit bei Omikron
Den für die Zulassung bei der EMA eingereichten Studien zufolge ist der Novavax-Impfstoff fast genauso wirksam wie die mRNA-Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna. So traten bei den Probanden, die zwei Dosen im Abstand von drei Wochen verabreicht bekamen, 90 Prozent weniger Erkrankungen auf als unter den Probanden einer Kontrollgruppe. Allerdings beziehen sich die Ergebnisse hauptsächlich auf die Alpha-Variante, die so gut wie vollständig von Delta verdrängt wurde.
Wie gut das Novavax-Vakzin gegen Omikron wirkt, das wohl in absehbarer Zeit zur global dominierenden Variante werden dürfte, ist zudem überhaupt nicht absehbar. So haben mehrere Studien in den vergangenen zwei Wochen gezeigt, dass zwei Dosen der bisher in der EU zugelassenen Impfstoffe gegen die die Immunabwehr teilweise umgehende Omikron-Variante deutlich schlechter wirken. Einen hohen Schutz gegen den neuen Stamm stellt erst wieder ein Booster mit einem mRNA-Impfstoff her. So hebt die Drittimpfung mit der bisher am häufigsten verabreichten Moderna-Dosierung von 50 Mikrogramm laut Unternehmensangaben vom Montag den Antiköperspiegel um das rund 37-Fache. Zu ähnlichen Resultaten war vor kurzem auch der Konkurrent Biontech/Pfizer gekommen.
Aus Sicht von Carsten Watzl, dem Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, wird daher auch der Novavax-Impfstoff an Omikron angepasst werden müssen. Auf neue Präparate zu warten, hält Watzel aber auf keinen Fall für klug, denn die Auslieferung der Proteinimpfstoffe wird wohl noch dauern. So wird Nuvaxovid wohl erst in der zweiten Jännerhälfte breit verfügbar sein, der ebenfalls auf Proteinbasis wirkende Impfstoff vom Mitbewerber Valneva dürfte überhaupt frühestens im zweiten Quartal 2022 kommen.
750.000 Dosen für Österreich
In jedem Fall aber wird der Novavax-Impfstoff, von dem die EU zunächst einmal 100 Millionen Dosen bestellt hat, nach der ersten Anlaufphase auch in Österreich in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. So wurden laut Gesundheitsministerium für die erste Tranche die maximalen Liefermengen abgerufen. "Dies entspricht rund 750.000 Dosen, deren Lieferungen nach letzten Informationen im ersten Quartal 2022 beginnen sollen", hieß es aus dem Büro von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein. "Danach werden weitere Optionen verfügbar sein."
Nach Ankunft in Österreich soll der neue Impfstoff über das Verteilungssystem des Bundes an die Impfstellen ausgeliefert werden. Ob das Vakzin von Beginn an frei wählbar ist, "wird von der Verfügbarkeit abhängig sein", wurde in der schriftlichen Stellungnahme betont. Abhängen wird es damit wohl vor allem von den Bundesländern, die in Österreich für die Organisation und die Durchführung der Impfkampagne verantwortlich sind. (rs)