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Johnson entschuldigt sich - Stimmung bei Tories katastrophal

Von Michael Schmölzer

Politik

Britischer Premier ist wegen Gartenparty im Lockdown politisch schwer angeschlagen.


Zuletzt war der britische Premier abgetaucht, doch am Mittwoch musste sich Boris Johnson im Parlament einem schonungslosen Verhör stellen. Thema der Sitzung war der Vorwurf, dass er in seinem Amtssitz an einer Party mit 40 Personen teilgenommen habe, während für den Rest der Bevölkerung die Regel galt, wonach Treffen von mehr als zwei Personen verboten waren. Dazu kommt der Verdacht, dass Johnson das Parlament über diesen Vorfall belogen habe.

Oppositionsführer Keir Starmer von der Labour-Party eröffnete den Reigen: Johnson habe sich "schamlos" verhalten, konstatierte er. Es sei jetzt nur noch die Frage, ob der Premier selbst zurücktrete, von seiner Partei oder von der Öffentlichkeit gezwungen werde.

Die Reaktion Johnsons auf die Vorwürfe sorgte für mehr als Unmut unter den versammelten Mandataren: Der Politiker räumte ein, dass er an der Zusammenkunft am 20. Mai 2020 - die Einladung erfolgte von einem hohen Regierungsbeamten - teilgenommen habe, und entschuldigte sich mehrfach. Aus heutiger Sicht hätte er anders gehandelt. Es sei ein Arbeitstreffen gewesen und habe nur 25 Minuten gedauert. Johnson entschuldigte sich für die Fehlentscheidungen, die er gemacht habe und für die er die volle Verantwortung übernehme. Konsequenzen lehnt er aber ab.

Gereizte Stimmung

Daraufhin wurde Johnson von Abgeordneten der Opposition teils wütend, teils unter Gelächter zum Rücktritt aufgefordert. Der Premier habe die Regeln und das Gesetz gebrochen und sich nur entschuldigt, weil er erwischt worden sei.

Wiederholt forderte Johnson seine Kritiker auf, das Ergebnis der Untersuchung, die gegen ihn läuft, abzuwarten. In der Tat hat zuletzt auch die britische Polizei Ermittlungen aufgenommen. Außerdem wies Johnson immer wieder auf seine Erfolge im Kampf gegen die Covid-Pandemie hin.

Die Party sei vorbei, hieß es dann. Ob er die Briten wirklich für so dumm verkaufen wolle, wurde der Premier gefragt. Die Stimmung im Hohen Haus war aufgeheizt, es wurde auf die zahllosen Menschen verwiesen, die Angehörige durch Corona verloren haben. Die Empörung ist auch deshalb so groß, weil ein Kabinettsmitglied Johnsons nur eine Stunde vor der Feier - es kursieren hiervon zahlreiche Bilder und Videos - die Öffentlichkeit darauf hingewiesen hatte, dass sich nur maximal zwei Personen im Freien treffen dürften.

Johnson ist nach diesem denkwürdigen "Grilling" politisch so schwer angeschlagen wie noch nie. Sonst loyale Medien üben heftige Kritik, der Boulevard gibt dem Premier teilweise nur noch 20 Prozent Überlebenschance. "The party’s over" titelte etwa die "Sun" nach der Befragung. Der linksliberale "Guardian" hingegen will nicht ausschließen, dass Johnson politisch doch überlebt.

"Dröhnendes Schweigen"

In der Tat scheint ein Rücktritt Johnsons nur fürs Erste vom Tisch zu sein; eine Wahl steht planmäßig erst 2024 an. Bei den Tories lichten sich aber die Reihen jener, die dem Regierungschef die Treue halten. Eine Mehrheit der Briten, auch der Tory-Wähler, fordert den sofortigen Rücktritt.

Seitdem die Gartenparty publik wurde, erhielt Johnson kaum öffentliche Unterstützung aus den eigenen Reihen. "Dröhnendes Schweigen" stellt unter anderem Sky-News-Reporterin Beth Rigby fest. Mehrere Tory-Abgeordnete berichteten, dass ihre Postfächer von E-Mails wütender Wähler überquellen würden.

Um Johnson abzuwählen, müssen ihm 15 Prozent der 360 konservativen Abgeordneten in Briefen ihr Misstrauen ausdrücken. Mittlerweile ist nicht auszuschließen, dass die notwendige Schwelle erreicht wird.

Was Johnson große Schwierigkeiten bereitet, ist der Umstand, dass die Briten von ihren Politikern in Krisenzeiten vorbildlichen und selbstlosen Einsatz ohne Schonung der eigenen Person verlangen. Wie es etwa Winston Churchill im Zweiten Weltkrieg vorgeführt hat, als er nach deutschen Luftangriffen die noch brennenden Ruinen besichtigte.

Dass ein Regierungschef eine alkoholträchtige Party feiert und gerade einmal 24 Stunden später in Downing Street Mitarbeitern des Gesundheitswesens applaudiert, erscheint den meisten Briten als Gipfel an Heuchelei und Charakterlosigkeit. Hannah Brady vom Corona-Opfer-Hinterbliebenenverband meint, Johnsons Verhalten verursache bei ihr nur Übelkeit.